Erknntnisse eines etablierten Herrn
wollte erzählen, was er heute gemacht hatte; die Mutter sagte soso und nickte abwesend; die Großeltern gebärdeten sich erzieherisch: Kinder hätten nicht das Wort zu führen, wenn ein Gast da sei. Und dieser Gast lächelte die Mama so komisch an und die Mama ihn und sie sagten gleich Du zueinander, nicht erst Sie, wie die Großeltern. Und die Oma ließ etwas fallen, weil sie es wieder einmal zu gut meinte, wie sie selber sagte, und die Mama meinte ärgerlich, hier könne man ja kein Wort verstehen, zog Marion von der Bank und setzte sich direkt neben den Onkelgast, und wieder lächelte sie so komisch, und als es gerade spannend wurde, weil der Mann genau wußte, wie die Mama früher ausgesehen hat und sie auch wie er, kam der Opa dazwischen.
»Marion, Alexander, ins Bett mit euch!«
Die Oma führte sie hinaus und der Opa kam hinterher, weil er ihrer Autorität nicht traute.
»Aber die Mama kommt noch, wenn wir im Bett sind?«
»Ja, die Mama kommt noch.«
Unter der Zuglampe wird jetzt leise gesprochen, fast feierlich, wie das so ist, wenn jeder von sich erzählt, unangebracht feierlich, denn in der Zusammenfassung hört sich so ein Leben recht durchschnittlich an. Man hat jemand kennengelernt, geheiratet, gezeugt, sich getrennt, gearbeitet, Geld verdient — ja, so war’s. Jeder schaut vor sich hin, ab und zu wird gelächelt. Wenn die Augen einander begegnen, kommt die Erzählung ins Stocken, die Hände sind beschäftigt. Renate trinkt aus seinem Glas, er dreht einen Ring an ihrem Finger, einen Ring mit Stein, sie dreht seine Krawatte herum, liest das Etikett, er legt ihr den Arm um die Schulter.
»Entschuldigt«, sagt Grete, »die Kinder sind im Bett.«
»Ich komme«, sagt Renate und geht.
»Na, was sagst du?« fragt Karl-Heinz und kommt.
Was soll er da sagen? Er nickt und trinkt. Sie kommen zurück; Renate hat tatsächlich schöne Bewegungen. Neues Umsorgen will sich ausbreiten.
»Hast du schon gegessen?«
»Danke. Ich mag jetzt nichts, Mutter.«
Karl-Heinz schickt wieder einen seiner Triumphblicke in die Runde. »Na, Renate, willst du unserm Lukas nicht mal alles zeigen?«
»Das ist doch nicht so wichtig, Vater.«
Lukas erkennt die Gelegenheit, aus dem Eck rauszukommen. »doch, doch. Zeig mir mal alles!«
»Dann komm mit.«
Renate ist aufgestanden, geht hinaus, geht zur Wohnungstür, Lukas und die Eltern folgen, Abschied mit freudig-gespanntem >Bis später<, ohne Händedruck. Dann haben sie nach der Auslegepracht wieder festen Marmor unter den Füßen; der Lift kommt, Lukas zieht die Tür auf, Renate drückt den obersten Knopf, sie stehen einander gegenüber, fassen sich an den Händen, ziehen sich zueinander hin. Längst hält der Lift. Renate schließt eine Tür auf, erhellt durch Knopfdruck modernen Wohlstand. Dann sind ihre Hände wieder in seinen Händen, das Geräusch der zufallenden Tür beruhigt die Vernunft, bis die zweite Erregung sie wegfegt, samt allem, was da stört. Vergangenheit und Gegenwart gehen ineinander über; neu und vertraut sind gleich.
»Wiedersehen ist eigentlich schöner als Kennenlernen!« hat er noch gesagt.
In großen Korbsesseln vor ihrem Haus in Schottland sitzen Lukas und Renate in der Sonne: Frau Zierholt kommt mit dem Tee; im Garten spielen die Wolfgänge Golf; Andrea und Daniela schreiben die Punkte auf, und oben, über die Decke, ziehen Schatten, wie von einem Lattengitter. Lukas reißt den Arm hoch und schaut auf seine Uhr.
»Ich glaub’, ich hab geschlafen.«
»Wir haben beide geschlafen«, antwortet sie. »Erst an deinem Schnarchen bin ich aufgewacht. Genau wie früher.«
Sie liegen in Rosa, in einem sehr niederen, sehr breiten Bett; der Boden ist hellblau und flauschig; durch die heruntergelassene Jalousie fällt gebremstes Licht. Renate beugt sich über ihn, macht sich zärtlich zu schaffen.
»Erzähl mir von dir. Ich weiß noch gar nichts.«
»Später. Erst muß ich mich umsehen in deiner prächtigen Dachvilla.« Auf der Ablegeplatte neben ihm steht ein modernes Beschäftigungsnippes, ein Plexiglasgehäuse, in dem an V-förmig gespannten Schnüren Stahlkugeln hängen. Dahinter auf dem Boden steht ein weißes Quadrat mit feinem Gitter.
»Lautsprecher von der Stereoanlage«, sagt Renate. »Möchtest du was hören?«
»Nicht jetzt.«
Sie hat sich aufgesetzt. An der Wand hinter ihr hängt einer jener Modernen, wie sie Einrichtungshäuser in moderne Schlafzimmer hängen, bevor diese verkauft werden. Ohne den Modernen.
»Schön,, daß du da
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