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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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gleich sehen. Wir müssen uns nur rasch umziehen.«
    Das Land drehte sich in die Dämmerung. Gemeinsam räumten sie den Tisch ab; Peter und Ines verschwanden in das winzige Schlafzimmer. Lukas setzte sich auf die Bank, legte die Beine hoch und sah sich genauer um: Peters ausgekocht naives Votivgepinsel an der einen Wand, seine abstrakte Handschrift an der andern, asiatischen Mandalas nicht unverwandt. Hier Herzjesuleinwelt — da erahnte Symbole für das Wassermann-Zeitalter: es war wie eine Standortbestimmung.
    In einer Holzschale lagen Drahtgebilde von Ines’ Hand: Ketten mit Anhängern, Ringe, Reife, Gürtel — Amateurfiligran, raffiniert einfach gebogen, geflochten, ohne Lötstellen.
    »So. Gehen wir!«
    Peters Garderobenwechsel beschränkte sich auf Turnschuhe und ein leichteres Hemd; die Jeans wären dieselben wie vorher, ebenso bei Ines, die Tennisschuhe und einen ärmellosen Pullover trug, der für ihr Alter erstaunlich junge Oberarme frei ließ.
    Wo sollte das stattfinden, von dem Lukas nicht wußte, was es war? Hier im Dorf? Oder würden sie mit dem Wagen wegfahren? Doch er sah keinen Wagen vor dem Holzhäuschen. Peter schlug die Tür zu, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    »Schließt du nicht ab?«
    »Wozu? Wir sind nicht in der Stadt und für Einbrecher total unattraktiv. Der einzige Luxus, den wir besitzen, ist unstehlbar: Zeit.« Sie gingen durch den Ort. Ein Bauer kam vorbei, grüßte die beiden mit Vornamen; zwei dralle Mädchen kamen vorbei — auch sie wären mit Peter und Ines per Du.
    »Wie lange wohnt ihr hier?«
    Lukas freute sich schon auf die Antwort, denn, was immer er sie fragte, es führte zu einer neuen Überraschung.
    Seit sechs Jahren wohnten die beiden hier, wären aber erst — und das war die Überraschung — vor ein paar Wochen von einer achtmonatigen Reise durch Europa zurückgekehrt.
    »Ein teurer Spaß!«
    Sie lächelten nachsichtig.
    »Du scheinst noch sehr bürgerliche Vorstellungen vom Reisen zu haben.«
    Wie sich herausstellte, gab es Geldprobleme für Peter und Ines nicht. Wo es ihnen gefiel, da blieben sie, so lange es ihnen gefiel. Und wenn ihnen das Tauschobjekt für Freiheit und Genüsse ausging, dann machten sie sich eben nützlich, mit Babysitten, Kochen, Übersetzen, Holzhacken, Maschinenschreiben, Autowäschen, Massieren, Haushüten, Handlesen und so weiter.
    Ines sagte:
    »Wir strahlen Naivität aus und Anspruchslosigkeit, lassen die Menschen groß, reich und stark sein, und schon sind wir ihre Freunde. Mittlerweile haben wir Unterkünfte in der halben Welt, vom Schrankenwärterhäuschen bis zur Milliardärsvilla. Lukas, du glaubst nicht, mit wie wenig man teuer reisen kann, wenn man statt des Scheckbuchs nur ein freundliches Gesicht mitnimmt.«
    »Man kann auch das Untertreiben übertreiben. Es gehört schon mehr dazu«, sagte Lukas. »Ich könnte das nicht. Gelegenheitsarbeiten annehmen, weil das Geld ausgegangen ist? Da bleib ich lieber zu Hause.«
    Obwohl sie sich hier unterschieden, stimmten sie in ihrer Einstellung überein: Nicht so viel wollen, damit man nicht so viel verdienen muß. Aber mit Einfällen und geschickter Regie amüsant und bequem leben.
    Unter der Tätigkeit eines Kommunenberaters konnte sich Lukas allerdings gar nichts vorstellen.
    »Es ist wie Eheberatung«, sagte Ines, »nur komplizierter. Die meisten scheitern auch wie Ehen — am Alltag.«
    »Und was bekommt ihr für so eine Gruppensanierung?«
    »Einen Schnaps, einen Händedruck, Freundschaft, ein Schloß als Zweitwohnsitz.«
    Ines lachte.
    »Vor zwei Jahren haben wir in der Gegend von Clermont-Ferrand eine Adlige kennengelernt und bei ihr gewohnt. Die alte Dame war verzweifelt. Sie hatte nicht das Geld, um ihren dringend reparaturbedürftigen Kasten instandsetzen zu lassen. Nun kannten wir eine superlinke Kommune in Holland — sieben Jungen und drei Mädchen mit zwei Kindern-, die gerade wegen Agitation an die Luft gesetzt worden war. Die haben wir anreisen lassen. Sie sind heute noch dort, wohnen umsonst, reparieren alles, die alte Dame kauft nur das Material. Sie hat den Mädchen das Kochen beigebracht und gibt dem linken Nachwuchs — inzwischen sind’s vier — eine >standesgemäße< Erziehung.«
    Peter faßte ihn am Arm.
    »Fertig wird die Renovierung bei dieser kapitalistisch-sozialistischen Idealmesalliance zum allerseitigen Glück natürlich nie.«
    Flüchtig betrachtet geht es in der Scheune am Ortsrand zu wie in einem Nachtlokal. Die Musik ist zu laut, die Tanzenden sind

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