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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Frauen fragen, wenn sie nach Frauen fragen, und er sagte, was er sagen wollte, auch wenn es nicht immer das war, was sie sich erwartete. Zum beiderseitigen unausgesprochenen Vergnügen entwickelte sich daraus ein doppelbödiger Dialog. Während Daniela, ohne danach zu fragen, herauszubekommen versuchte, wie das Wiedersehen verlaufen war, gab sich Lukas als überraschter Besucher aus dem Ausland, dem eine berufliche Besessenheit bei deutschen Frauen aufgefallen ist. So stellte er Renate als Karrierefrau von gehobenem Ehrgeiz dar, als Unternehmerin, die so sehr ihren Mann stehe, daß er sich nur fragen könne, warum sie sich das antue, ja wofür denn? Gewiß, die Kinder — andererseits habe sie mit dem angehäuften Besitz längst ausgesorgt. Ihre Entwicklung sei zweifellos erstaunlich, sie verdiene Bewunderung, sei bei aller Belastung keineswegs hart geworden, nur gewandt, sicher und das, was man pauschal so schön als attraktiv bezeichne, kurz, eine rundherum erfreuliche Erscheinung. Und dabei behaupte sie, allein zu leben und glücklich zu sein, betonte letzteres vielleicht etwas zu oft. Ebenso die Freiheit und Unabhängigkeit, der sie sich erfreue. Natürlich schlafe sie ab und zu mit einem Mann, das aber unsentimental, nur der inneren Balance wegen. Weil es ganz ohne eben doch nicht, gehe, wie manche Frauen gern behaupteten.
    Daniela nickte; eine Antwort blieb aus.
    Wie sie dasaß, den Kopf zurückgelehnt, die Augen geschlossen, erinnerte sie ihn wieder an Doreen, auf die ein fahrendes Auto die Wirkung einer Kinderwiege gehabt hatte. Nach zwanzig Meilen Wachens schlief sie die nächsten vierzig reglos und tief, um dann unvermittelt zu sagen: »Ich glaub’, ich bin ein bißchen eingenickt.«
    Da hatte er seine Hand auf die ihre gelegt und gesagt: »Schlaf weiter. Es ist noch weit.«
    Sie hatte etwas Kindliches, die Frau Abgeordnete, die seine Hand hielt wie eine Puppe. Lukas bezog seinen Lieblingsblickwinkel: Er trat neben sich, das heißt, er fuhr neben sich her, schaute herüber, sah sie sitzen im Wagen, harmonisch zweisam, sah sich, wie er sie ansah, und las seine Gedanken: Geschlossene Augen haben etwas Aufgeräumtes, Zuverlässiges, Vertrauendes. Sie bestätigen dich als Beschützer, auch ohne Gefahr, geben dir breite Ruhe und das Gefühl, unendlich produktiv sein zu können in der Zwischenzeit, bis sie sich wieder öffnen. Es ist schön, eine Frau bei sich zu haben, die schläft.
    »Eigentlich sind wir Beatniks oder Alt-Hippies. Wir haben schon vor fünfzehn Jahren den Dienst im Konsumkrieg verweigert und sind in die Anspruchslosigkeit desertiert.« Peter deutet auf ein bäurisches Geschirrgestell an der Wand. »Jeder hat seinen Teller, seine Tasse, Messer, Gabel, Löffel, dort steht der Herd, der auch heizt, am Tisch sitzen wir und arbeiten, wenn wir Lust dazu haben, und nebenan schlafen wir. Fertig. Mehr kann der Mensch nicht tun, mehr braucht er nicht. Es sei denn, er ist allein oder er kommt mit seinem Nächsten nicht aus — dann braucht er mehr.«
    Peter, dem der Bart verblieben, das Haupthaar jedoch ausgegangen war, hatte durch solide Polsterung etwas Gesetztes bekommen. Neben ihm wirkte die unverändert schmale Ines trotz ihres weißen Haares jünger. Daß sie in Wirklichkeit zehn Jahre älter war, hätte ihr niemand geglaubt. Die beiden schwammen gegen den Strom, aber nicht sichtbar. Sie gehörten nicht zu jenem fatalen Mittelalter, das sich betont jugendlich gebärdet und kostümiert. Lukas saß am Tisch und verglich seine Eindrücke mit der Erinnerung. Die war, was Peter und Ines betraf, recht oberflächlich: ein mehr kunstgewerbliches als künstlerisches Gespann, das Altersunterschied und mangelnde Begabung mit Yoga auszugleichen suchte (bei Alma und Gustl in dem abgerissenen Haus über der Ringstraße), ehrgeizig um avantgardistische Haltung besorgt — eher Bekannte als Freunde. Daniela hatte ihn abgesetzt und war sofort weitergefahren. Noch drei Wahlreden mußte sie halten, wurde erst zum Abendessen zurückerwartet. Hier war ihm zum ersten Mal so etwas wie ein Schema aufgefallen, nach dem seine Besuche bei den alten Freunden verliefen: Wiedersehen — Emotion; genauer sehen — Reaktion; einordnen — Reflexion. Um die beiden einzuordnen, hatte er sich umgesehen.
    »Ich wohne zwar auch auf dem Land. Aber so weit wie ihr bin ich nicht. Gegen euch bin ich noch relativ anspruchsvoll.«
    Bei Jasmintee saßen sie um den Tisch und der Jungbrunnen der Übereinstimmung plätscherte. Was sie einander

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