Erknntnisse eines etablierten Herrn
sagten, einander fragten, bestätigte, daß sie schon lange so dachten, wie sie einander jetzt versicherten.
»Und wovon lebt ihr?«
»Ich mache zur Zeit Modeschmuck.«
Peter sah Ines an.
»Den hat sie damals schon gemacht und der Stammtisch hat milde gelächelt. Genau wie über meine Bilder. Wir wollten beide avantgardistisch sein. Dabei hab ich gar nicht so schlecht gemalt, und Ines war handwerklich absolut Spitze. Aber wir wären zu früh dran.«
»Und jetzt seid ihr eurer Zeit nicht mehr voraus?«
»Schau, Lukas, ich könnte mir eine Nibelungenperücke auf setzen und behaupten, daß ich der Sohn eines Arbeiters bin und die Welt dringend mit dem Pinsel verändern muß — dann hätt’ ich Publicity. Oder ich bleibe mir treu, mache Kunst für die Schublade und warte, daß der Zeiger der Mode vielleicht noch zu Lebzeiten an mir vorbeikommt. Das Opfer aber ist der heutige Kulturbetrieb nicht wert. So haben wir uns für den dritten Weg entschieden: wir kommerzialisieren, was uns leicht von der Hand geht und gerade gefragt ist.« Ines holte einen künstlichen Penis aus der Schublade, stramm und goldglänzend wie Trompetenblech.
»Während der Sexwelle hat Peter die Dinger gegossen. Als Türklinken und Schaltknüppel für Sportwagen haben sie sich unterm Ladentisch sehr gut verkauft.«
Lukas dachte an das Gespräch mit Daniela, unterwegs.
»Eigentlich habt ihr resigniert. Findet ihr nicht?«
Zuerst blieben sie unbeweglich, als müßten sie überlegen, wie einer bei ihnen zu dieser Frage kommen kann. Dann antwortete Peter.
»Vernunft ist doch nicht Resignation. Wozu denn in einer Zeit des Umbruchs, wie wir sie haben, der Welt seinen Geschmack aufoktroyieren? Was heißt denn heute Geschmack? Die Schwarzhändler sind wieder da und werden noch auf Jahre da bleiben.«
»Mit anderen Worten: Ihr wollt euch nicht mehr engagieren?«
Ines lachte.
»Wir kommen mit dem Ignorieren gar nicht mehr nach.«
Eine Wand des Raumes war ihm sofort aufgefallen; sie hing voller Votivtafeln.
»Sind die alt oder aus eigener Produktion?«
» Antiques für Amerikaner«, näselte Ines, »Peter malt sie und ich mache sie alt.«
»Tagesproduktion?«
»Maximal zehn Stück. Aber nur, wenn’s unbedingt sein muß. Und das muß es nie. Darauf achten wir.«
»Und warum sitzt ihr ausgerechnet hier auf dem Dorf?«
»Am unscheinbaren Platz lebt sich’s leichter und billiger.«
»Mit einem Wort: Es geht euch prächtig?«
Weil sie den Zustand nicht beschreiben wollten, sagte Peter: »Im Augenblick sind wir bei der Sieben-Stunden-Woche.«
»Und wie findet das eure tüchtige Freundin Daniela?«
»Sie kommt oft zu uns.« Ines tischte Zwetschgenwasser auf, das noch wohliger brannte als die handgepflückte Williamsbirne bei den Wolfgängen. Lukas drückte sein Lob pantomimisch aus, seine Gesichtszüge hatten sich selbständig gemacht.
»Selbstgebrannt«, erklärte Peter mit Kopfbewegung zu Ines.
»Ihr solltet Unterricht in Lebensbewältigung geben.«
Die beiden sahen einander an und erklärten abwechselnd: »Das tun wir auch.«
»Wir tanzen mit Frustrierten und beraten Kommunen.«
»Wir sind richtige Gurus.«
Lukas kippte das Schnapsglas.
»Ich sehe, ich muß noch viel lernen! Vor allem in puncto Bescheidenheit.«
»Bescheidenheit mit Luxus!« verbesserte Ines. »Das ist unser Geheimnis. Wir lieben es, gut zu essen, haben gern Gäste; wir sind leidenschaftliche Verreiser, besitzen ein kleines Auto und eine fabelhafte Stereoanlage, die du noch erleben wirst.«
Hier drehte Peter den Dialog um, wollte wissen, wie das sei, wenn man zurückkomme nach so vielen Jahren, wie sich die alten Freunde verändert hätten. Lukas schilderte seine Eindrücke und faßte sie zu einer Zwischenbilanz zusammen:
»Ich habe erwartet, daß alles anders sein wird. Aber ich habe nicht damit gerechnet, daß es so grundlegend anders sein würde. Ihr beide zum Beispiel, ihr wart ein Paar ohne jede Ausstrahlung. Ich habe euch so disharmonisch in Erinnerung, daß es mir ein Rätsel ist, wie ihr das geschafft habt.«
»Ich weiß, ich weißt« Peter winkte ab. »Wir wären reines Therapeutenfutter. Ines saß auf meinem Talent; aus verhindertem Mutterehrgeiz wollte sie mich partout zu dem zwingen, was sie für Kunst hielt. Ohne Rücksicht auf meine Anlagen.«
Ines widersprach nicht, sondern erklärte belustigt:
»Bis man hinter so was kommt, kann man schon auseinander sein. Inzwischen hab ich meinem Bemutterungskomplex einen Auslauf geschaffen. Du wirst
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