Erknntnisse eines etablierten Herrn
Rhombus sackte in eine kratzfüßige Verbeugung zusammen und setzte zu einem Handkuß an. Aber, bewußt oder unbewußt, Andrea zog die Hand weg.
»Fahren wir! Wir haben ja noch viel vor.«
Gutes Zusammenspiel. Auch Lukas haßte die Situation, er hatte sogar das Gefühl, zu erröten. Wieso eigentlich, zum Donnerwetter? Was ging ihn dieser Donicke an, dem er, um ihn endgültig loszuwerden, die Hand entgegenstreckte:
»Also dann...«
»Aber, aber. Ich bring Sie beide doch selbstverständlich zum Wagen!«
Andrea ging voraus, Donicke hinterher, vollbeschäftigt mit Sehen und Kombinieren.
»Schickes Wägelchen!« Er hielt ihr die Tür auf, beugte sich herein, daß sein Arm jeden Blick versperrte, drückte noch einmal Lukas’ Hand:
»Tja, gute Freunde muß man haben!«
»Fahr jetzt!«
Andrea ließ den Motor röhren; Donicke zog die Sichtsperre heraus und winkte damit.
»Endlich!«
Sie schaute herüber.
»Was hast du denn? Der war doch ganz lieb.« Ohne daß er etwas gesagt hatte, fuhr sie in die richtige Richtung.
»Wo müssen wir jetzt hin?«
Mit der Hand deutete er gradeaus, dann rechts, dann links, wollte nicht reden, wollte nur, daß die Zeit vergehen möge. Stumm fuhr sie ihn, wie junge Frauen viel ältere Männer fahren, und fragte erst, als sie auf sein Zeichen am Gehsteig hielt:
»Wie lang hast du hier zu tun?«
»Hör zu, Andrea, du wartest jetzt nicht mehr. Mich macht das nervös. Ich kann mir wirklich ein Taxi nehmen.«
»Und wie verbleiben wir?«
»Ruf mich am Abend im Hotel an.«
»Wie du meinst.«
Vor der Haustür winkte er ihr noch einmal zu, weil sie ihm leid tat mit ihrer Zutraulichkeit und weil es ihm sicherer schien, abzuwarten, ob sie auch wirklich wegfahre.
Klingeldruck; sofortiges Summen des Türöffners.
Hier hat sich nichts verändert!
Die weiße Wohnungstür mit den glänzenden Beschlägen stand offen, als er die Plattform erreichte; eine gelernte Hausangestellte, jenseits der Fünfzig und mit weißer Schürze, ließ ihn ein in die hohe Diele voller Dielenmöbel, sperrige Erbstücke, für Zimmereinrichtung ungeeignet. Ein Stilbruch in dem sonst unversehrten Museum: Vor einem verschnörkelten Gestell, aus dem alte Fahnen muffelten, stand ein Spielzeugtraktor aus Kunststoff.
Kinder beanspruchen Zukunft.
Die gelernte Hausangestellte klopfte an die Tür, wartete die Genehmigung zu öffnen ab, und meldete, den Türflügel aufschwenkend, den Namen des Gästes nach drinnen, ohne ihn gefragt zu haben, ob er der sei, den sie nannte. Erster Gedanke beim Eintreten: Auf diesem Régence-Stuhl hast du schon einmal gesessen! Josephine hieß die Tante.
Aber die ihm entgegenkam, war nicht Tante Josephine, es war Hoheit persönlich, weißhaarig, in den Bewegungen jedoch nicht alt, Eugenie, die unverkennbare Mutter Marie-Luises.
»Willkommen, Herr Dornberg.«
Marie-Luise befand sich nicht im Zimmer, wie er feststellte; die ihm zur Begrüßung gereichte Hand war zartknochig wie ein Rebhühnchen, dabei zupackend und duftete nach angenehmer Seife. Und dann besahen sie einander: die Mutter den Fauxpas ihrer Tochter; der kombinierte Wohl- und Übeltäter die ihm durch Standesunterschied ersparte Schwiegermutter. Hoheit hatte sich verwandelt, zu Mama Eugenie gemausert sozusagen, bat ihn Platz zu nehmen in einem Sessel aus der Zeit und aus der Familie.
»Sie sehen gut aus, Herr Dornberg; Versammelt. Wohl nicht mehr der Luftikus, den ich in Erinnerung habe.«
Amüsiert gab er ihr zurück:
»Sie haben sich auch verändert. Sie sind heiterer geworden, jünger.«
»Das mag an den Umständen liegen. Jede Frau wirkt jünger, wenn sie Pflichten hat, wenn sie gebraucht wird.«
Mitte Sechzig mußte sie sein. Das Gespräch kam auf Daniela, der das Wiedersehen zu danken sei, und Mama Eugenie sang ihr Loblied. Übrigens, Marilou würde gleich kommen. Lukas nickte in Abständen und sah sich um.
Was hier an alten Möbeln stand, konnte ebensogut bei Lilly und Alfredo stehen. doch hier standen sie unaufdringlicher. Das möchte an dem Parkettboden liegen, der nur teilweise mit Brücken bedeckt war. Der Velours bei Lilly gab den Stücken einen Stich ins Modische. Und: Erbstücke stehen anders da als auf Erbstück getrimmte Kapitalsanlagen, sie werden anders aufgestellt, selbstverständlicher. Stilmöbelbesitzer zeigen, daß sie Stilmöbel besitzen; die andern leisten es sich, eingelegte Kommoden unter gerahmten Fotografien, Zeitungen und Krimskrams zu begraben, die Politur verblassen zu lassen, abgebrochene
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