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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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wollen, ›liegen sie noch immer auf der Bärenhaut?‹
    »Weit gefehlt,« gab ich stolz zurück. »Sie haben die Führung der Menschheit im Sozialen übernommen. Gegenwärtig züchten sie mit Wohltätigkeitsverordnungen die vielen Allzuvielen heran.«
    »Schade,« entgegnete der Riese und er warf einen forschenden Blick in die Zukunft hinein. »Ihr solltet nach Nietzscheschen Rezepten einen Übermenschen heranmästen; Ihr werdet ihn bald brauchen können.« Und er zog ein weißes Gewölk um sein Haupt und war für mich unsichtbar geworden.
    Ein Frösteln kam über mich. Ich fürchtete, daß ich dem Alten nicht imponiert haben könnte, und machte, daß ich ins Bett kam.
    Am nächsten Morgen lag blendender Sonnenschein über Meer, Gebirg und Tal, und so ging es fort an all den Tagen, wo wir die Stadt durchstreiften, den Monte Venere erstiegen und nach dem Gestadehinunterkletterten, um die Grotte von San Giovanni aufzusuchen.
    Ein Fischerjüngling mit rotem Gürtel um die Lenden und der phrygischen Mütze auf dem schwarzen Lockenhaar nahm uns in einen kleinen Nachen auf und steuerte uns mit langer Stange durch die seichte Brandung hindurch nach einem dunkeln Felsentore. Das Schifflein stieß rechts und links an die Steinkante, dann aber hob es eine geschickte Welle, und sanft und leise war es unter die schwarze Wölbung eines breiten Domes hineingeglitten. Im ersten Augenblicke sah man nicht viel. Das Auge mußte sich zunächst ein wenig an das Dunkel gewöhnen, und es mußte sich rückwärts wenden, um die Morgensonnenstrahlen zu trinken, die durch das Sandsteinportal in die Grotte drangen. Jetzt erst kleidete ein blaues Licht das ganze Innere aus und füllte das Wasser, das plätschernd unseren Nachen trug, mit einem satten Saphirschimmer, der mit spielenden Zungen am Kiele unseres Schiffleins leckte.
    Unter uns aber in nicht allzugroßer Tiefe, da lag ein Teppich ausgebreitet, wie er schöner nie vom Webstuhl eines Persers heruntergekommen ist. Seesterne, Medusen, Korallen, Quallen, Muscheln lagen wie in einem Kaleidoskope bunt durcheinander, und zwischen ihnen hindurch schlängelten sich mit elegantem Körperschwunge Aale, oder krochen in träger Ruhe Hummern und Krebse hin.
    Über all der Herrlichkeit schwebend, bedauerte ich zum ersten Male, daß ich als Mensch auf die Welt gekommenbin. Wahrhaftig, welch' eine Wonne muß es nicht für diese Kaltblüter sein, da zwischen den Radiolarien sich im kristallklaren Wasser herumzutreiben. Es ist nicht erlogen, mit einem Male packte mich der Gedanke, daß ich tot da unten liegen möchte auf dem weißen Meeresgrunde, umringt von all der Herrlichkeit. Hinaus, hinaus, so winkte ich dem Schiffer zu, und ich war fast froh, daß ich mich selber lebend wiederfand dem Ätna gegenüber und der Felsenmauer von Taormina. – –
    »Verlassen Sie Sizilien nicht, ohne die Circumaetnea gesehen zu haben,« so predigten einem an den Straßenecken und in den Osterien die Reklameplakate entgegen. Herr und Frau Kalbow wollten nicht mit. Also mußte ich die Reise allein machen um den Vulkan herum.
    Zunächst bedeutete das für mich ein frühes Aufstehen am nächsten Tage. Vor sechs Uhr schon ging der Zug von Giardini ab, und gegen zehn Uhr war ich in Riposto. Hier Routenwechsel. Beim Aus- und Einsteigen geriet ich unter viel Volk, wie es ein Markttag von den Eisenbahnen in Empfang zu nehmen und wieder zurückzugeben pflegt. Mit den Wölfen zu heulen, das war immer so mein Geschmack und gerade deshalb löste ich eine Fahrkarte der niedrigsten Klasse. Ich saß kaum auf einer der wurmstichigen Holzbänke, als in spiegelnder Sutane ein Pfarrer im Kupee erschien und einen Sack mit rätselhaftem Inhalt unter seinen Sitz schob. Das geheimnisvolle Gepäckstück lag nämlich nicht ruhig, sondern drehte sich unter der Bank hervor und rollte aufmeine Füße zu. Was mag das sein, dachte ich mir, als eben aus einem Loch im Sacke ein Schweinsfüßchen hervorkam und mich belehrte, daß Hochwürden auf dem Markte Ferkel eingekauft hatte.
    Er selber stand derweilen mit dem Barett auf dem Kopfe da und schob sich in jedes Nasenloch eine gehörige Prise. Als er damit zu Ende gekommen war, putzte er mit einem blauen Taschentuch die Stelle ab, auf die er sich zu setzen gedachte, und hob dann sein geistliches Gewand in die Höhe. In ganz Italien ist die niedere Geistlichkeit erbärmlich gestellt. Man wundere sich deshalb nicht, daß unter der Sutane kein weiteres Unterzeug mehr zu sehen war als das, was mit dem

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