Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
Vom Netzwerk:
Kräften und verleugnete ihn kühnlich, als die Polizei kam, um nach ihm zu fahnden.
    »Die Erinnerung an die Affäre hat ihr bis zu ihrem letzten Stündlein noch Spaß gemacht,« hat ihr jüngerer Sohn Martin mir erzählt, als ich ihn vierzig Jahre später einmal am Hafen zu Konstanz getroffen habe.
    Dieser Martin, des alten Venedeys zweiter Sohn, besaß die gleiche Kraft und das gleiche innere Feuer wie sein Bruder, aber er blieb Herr seiner Triebe und er ist deshalb eben größer geworden wie der Michel oder auch – wer vermag den Menschen abzuschätzen – er ist kleiner geblieben als jener.
    Der Winter des Jahres 1879 auf 80 war ein unfreundlicher Geselle. Er fesselte die Bäche, ließ die Teiche erstarren und vergrub Feld und Wiese unter einer Schneedecke. Er ermordete die Nachtigall und lehrte die Wagenachsendas Singen. Mir persönlich konnte er nichts anhaben. Ich wohnte in der Rheinstraße und hatte im Zimmer einen guten Kachelofen. Mein Hausherr war ein Champagnerreisender, namens Friedle, von dem ich einzig wußte, daß er klein war und an der rechten Hand nur vier Finger hatte. Da ich ihn immer nur nachts und niemals nüchtern gesehen habe, so weiß ich nicht, was weiter Gutes oder Böses in ihm steckte. Ich nehme an, daß er nicht ohne Vorzüge war, denn wie hätte er sonst zu einer so braven und begabten Frau kommen sollen, wie er sie hatte. Ihr zu Liebe bin ich an manchem Abend zu Hause geblieben, um hören zu können, wie sie im Zimmer nebenan Klavier spielte oder mit gut geschulter Stimme allerliebste Lieder sang.
    Über Tags weilte ich in den Kliniken oder auch auf der Reitbahn, wo ich es im »Gaulbändigen« bereits so weit gebracht hatte, daß ich dem Stallmeister die Schindluder zustutzen durfte, die sich vor der Front im Kommiß nicht verwenden ließen.
    Als ich einmal hoch zu Roß über die Kaiserstraße trabte, gab mir der Michel Venedey, die grüne Frankonenmütze schwenkend, vom Bürgersteig aus ein Zeichen, daß ich halten und auf ihn hören solle. Ich brachte das Pferd zum Stehen und erfuhr nun von ihm, dem Unwiderstehlichen, daß ihm seine Mutter den Rat gegeben habe, er solle sich mit einem anständigen Mädchen verloben, damit die verfluchte Geschichte mit den Dienstmädchen einmal ein Ende nähme.
    »Du bist in der Welt herumgekommen,« fuhr erfort, »weißt du mir keine? Sie darf Lene heißen, wenn sie eine halbe Million in die Ehe bringt und so viel Kleeäcker, daß sie mir ein Reitpferd ernähren kann, aber so keine Schindmähre, wie die ist, auf der du herumsegelst.«
    »Michel,« gab ich ihm zur Antwort, »wenn du einmal reiten oder heiraten willst, geh' nach den Niederlanden. Weißt du warum?«
    »Schlaumeier, ich versteh, was du sagen willst. Du denkst: ›Nicht jedes Tier trägt den und seinen dicken Bauch.‹ Da magst du eher recht haben als dazumal, wo du mir weiß machen wolltest, daß ich einen Bruch hätte. Gottes Segen mit dir, aber füttere dich besser, sonst kann deine Frau dich wie ein Heringsskelett im Brillenfutteral mit auf die Hochzeitsreise nehmen. Und dann, hörst du, bleib bei windigem Wetter mit der Rosinante zwischen den Häuserreihen. Man kann nie wissen. Leeres Stroh und leichte Ware sind schnell verweht. Vom Sturm nämlich, mein ich.« Und er pfiff seinem Hund und stelzte hinter einer Konfektionöse her die Kaiserstraße hinunter.
    Damit sollte ich ihn für längere Zeit gesehen haben, den Michel, den deutschen Michel, denn ich mußte an meine Abreise von Freiburg denken. Mein erspartes Geld ging zu Ende, und eine Gelegenheit, ins Ausland zu kommen, hatte sich nicht gefunden. Ade nun für immer, Studentenherrlichkeit!

Drei Jahre hinterm Donnersberg

    unächst ging ich wieder zu meinem guten Vater. Da hatte ich festen Ankergrund für mein allzu leichtes Lebensschiff. Im Honoratiorenzimmer des Gasthauses »Zum Odenwald« traf ich, aufs Sofa hingegossen einen Kollegen, namens Flottmann. Er vertrat den Doktor Willmann und war alles, was sein Name sagte: Burschikos, schneidig als alter Korpsstudent, eine forsche Erscheinung mit der Glasscherbe im Auge und einem tiefen Durchzieher über der linken Wange. Mit der Manila zwischen den Zähnen hätte man ihn für ein Herrenhausmitglied halten können, wenn nicht eine geschwätzige Naht auf der rechten Brustseite verraten hätte, daß der Rock gewendet war. Gleich mir suchte Flottmann eine Praxis aurea , und es dauerte nur wenig Tage, und beide waren wir auf der Reise dem Glück entgegen. Zunächst kamen wir nur bis

Weitere Kostenlose Bücher