Erlebnisse eines Erdenbummlers
hatte ich kein Talent, und ich war deshalb froh, als ich die Freiburger Karlskaserne in den gleichen Hosen wieder verlassen durfte, in denen ich sie betreten hatte.
Das Doktorieren war für einen, der sein Staatsexamen schon hinter sich hatte, eine reine Farce. Ich schrieb eine sog. Dissertation, überstand ein Colloquium, bezahlte die Gebühren und durfte vor meinen Namen das Dr. schreiben.
Zwischendurch hatte ich mich umgesehen, ob sich nicht für mich Gelegenheit fände, eine Reiseexpedition mitzumachen. Ich wäre gern mit Riebeck gegangen. Der aber hatte schon einen Alexander Moork aus Bergzabern engagiert, der jetzt in der Nähe von Jericho am rechten Jordanufer begraben liegt. In meinem Buche ›Die Kreuzfahrt‹ (Verl. v. Ackermann, Weinheim) habe ichbeschrieben, wie ich an dies Grab gekommen bin. War's mit Riebeck nichts, so hoffte ich auf eine andere Möglichkeit und nahm einstweilen beim alten Siedler Reitstunden, um auf alle Fälle gerüstet zu sein, und nebenbei machte ich mich bei den Alemannen nützlich, indem ich den Paukarzt mimte. Bei dieser Beschäftigung kam ich wider Erwarten abermals mit Venedeys Mutter in Berührung. Sie wohnte damals in Oberweyler in einem Hause, das auf Veranlassung der Gebrüder Keil mit Sammelgeldern der Gartenlaube für ihren Mann erbaut worden war, und das der unruhige Achtundvierziger sein »Rasthaus« nannte. Ruhe hat er ja da auch nicht gefunden. Er schrieb nach der Schlacht von Wörth den berühmten Artikel »Vae victis« in die Kölner Zeitung und kam dadurch wieder viel ins Gerede. Auch kandidierte er für den ersten deutschen Reichstag, dessen Zusammentritt er aber nicht mehr erlebte. Sein definitives Rasthaus hatte nämlich inzwischen der Totengräber fertiggestellt und seine Witwe blieb in dem zurück, was seine Freunde am Fuß des Belchen für ihn hingestellt hatten. Freilich auch sie ohne inneren Frieden. Immer brauchte die alte Dame irgendeine Gefahr, in die sie sich stürzen konnte. Ohne Händel mit der Polizei schien ihr das Dasein nicht lebenswert. So war sie auch jetzt wieder im Begriff, sich in Ungelegenheiten zu bringen, und sie hätte es getan, wenn ich nicht dazwischen getreten wäre.
Zwischen einem Alemannen, namens Wörner, und einem Franken, namens Wack, war es zu einer schweren Säbelforderung gekommen. Die Sache war auch ruchbargeworden, und die Polizei hatte die Saalbesitzer in Freiburg und Umgegend mit schweren Strafen bedroht, wenn sie zum Austrag des Handels ein Zimmer hergeben sollten. Wo die Burschenschaft auch anklopfen mochte, überall fand sie die Türen verschlossen und bedauernd ablehnende Gesichter der Schenkwirte. Als man schon gar nicht mehr woaus, woein wußte, tauchte plötzlich die Witwe Venedey in Freiburg auf und bot ihr friedlich Rasthaus zum Austrag des Duelles an. Als Paukarzt hörte ich natürlich von der Geschichte, und die gute Frau hätte mir leid getan, wenn sie in ihren alten Tagen noch einmal ins Gefängnis hätte wandern müssen. Ich suchte nun ihren Sohn Michel auf, dem man es zutrauen konnte, daß er den Plan seiner Mutter billige, wenn nicht dessen Urheber sei. »Michel,« sagte ich, »hast du dir überlegt, in welche Gefahren sich deine Mutter begeben will? Denkst du daran, daß sie eventuell ins Landesgefängnis spazieren kann?«
»O, was schadet ihr denn das?« rief er heiter aus. »Es ist nicht halb so schlimm, als wenn sie in deine oder Stengers Behandlung kommen sollte. Hoffentlich habt ihr Kerle euch im Lauf der Jahre etwas gebessert. Die Menschheit könnte mir leid tun, wenn das nicht der Fall sein sollte. Übrigens was bummelst du, altes Sumpfhuhn, immer noch auf den Universitäten herum?«
»Zu dieser Frage, Michel, hast du kein Recht. Ich habe Gott sei Dank alle meine Examinas hinter mir. Wie aber steht's mit dir, der du kaum jünger bist wie ich?«
»Wie's mit mir steht? Gerippe, wenn du meinen Ranzen schleppen müßtest, könntest du auch noch nicht so weit sein wie du bist. Übrigens, damit du mit dem Fragen aufhörst, will ich dir den Gefallen tun und meine Alte auf andere Gedanken bringen.«
Die Mensur stieg und sie stieg auch in Oberweyler, wenn auch nicht im Rasthause Venedeys. Die Witwe des Achtundvierzigers kam um den Triumph, ihre Hände in ein gewagtes Spiel gemengt zu haben. Aber sie wäre todunglücklich gewesen, wenn sie nicht in irgend etwas an dem Handel teilgenommen und sich strafbar gemacht hätte. Sie nahm also den schwer verwundeten Wack in ihr Haus auf, pflegte ihn nach besten
Weitere Kostenlose Bücher