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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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Magd bemüht. Das Fuhrwerk hielt. Im Nu war ich aufgeladen. Der Wagen gedreht und fort ging es wieder das Tal hinauf.
    »Wo geht es hin?« fragte ich den Kutscher.
    »Zu einem großen Unglück. Denkt nur, überm Nonnenhof zu Eiterbach da schlagen schon die Flammen zusammen und die Hohlziegel knallen aufs Pflaster herunter, da läuft die Bäuerin noch in den zweiten Stock hinauf, um dem Sohne Bastian seine Militärpapiere herabzuholen. Als sie nicht wieder kommt, stürzt der Bauer nach.
    Gleich drauf ein Geschrei aus dem brennenden Haus und ein Gerumpel. Die Zwei sind die Stiegen heruntergefallen und liegen, ein brennender Klumpen, im Hausgang. Mit den Feuerhaken hat man sie ins Freie gezogen und Wasser auf sie gegossen, bis sie nicht mehr rauchten und flammten. Sie leben noch, aber Gott wie sehn sie aus!«
    »Hat man sie denn in ein anderes Haus gebracht?«
    »Ja, zum Nachbar 'rüber, und der Hexenkonrad steht dabei und spricht Gebete gegen das wilde Brennen. Aber es hilft wenig. Der Bauer zwar ist wieder auf seinen Beinen. Die Bäuerin aber liegt auf dem blanken Stubenboden. Sie jammert gottserbärmlich, und kein Mensch hat den Mut, sie nur anzugreifen.«
    »Fahrt mit der Peitsche aus, Fuhrmann, und laßt die Gäule laufen, was sie können!«
    Es geschah nach meinem Wunsche. Die Taglöhnerhäuschen tanzten nur so an uns vorbei, und das gleiche tat sogar eine kleine Kapelle, die fromm am Wege stand. Es ging ein wundervolles Tal hinunter, aber ich sah wenig von seinen Wundern. Ein Mühlrad drehte sich im Bach, aber ich hörte nicht das Klappern seines Stuhles. Zu laut war das Schlagen der Wagenachsen. Staub hatte sich in meine Gehörgänge gelegt und auch auf die Schleimhäute meiner Nase.
    Und doch, ich konnte mich nicht täuschen. Ein brandiger Gestank verletzte meine Geruchsnerven. Es konnte nach der Unglücksstelle nicht mehr weit hin sein.
    Wir kamen durch ein Dorf. Schulkinder standen da herum, die Bücher unterm Arm und wußten nicht, was sie beginnen sollten.
    Der Lehrer war offenbar dort, wo das Haus eingeäschert war und die Verunglückten sich befanden. Noch über eine Brücke hinüber. Hinter Bäumen her, die auf dem Anger standen, und die kahlen Giebel eines ausgebrannten Gebäudes starrten mir entgegen.
    Grauschwarzer Rauch stahl sich aus den leeren Fensterhöhlen und mischte sich mit weißem Gewölk, das überm Tale schwebte. Hier und da leckte noch mit roter Zunge eine Flamme an verkohlten Dachsparren. So sah das aus, was vor wenig Stunden noch eine menschliche Wohnung war. Und was ums Haus herum Baum gewesen, streckte die laublosen schwarzen Zweige zumHimmel empor, und was Gras war, lag am Boden und war in den nassen Grund getreten mit Ziegelsteinen belastet, Feuereimern und Holzkohlen.
    Der Fuhrmann lenkte an der Brandstelle vorbei der nächsten Hofraite zu. Ich stieg vom Wagen und mühte mich eine Treppe empor. Am Geländer standen Frauen, hatten den Schürzenzipfel zwischen den Zähnen und die Augen voller Tränen. Sie sahen mich an wie einen, nicht der retten, sondern der Not ein Ende machen solle, denn ein nervenzerreißendes Jammern drang zwischen blühenden Fuchsienstöcken hindurch aus dem Fenster heraus.
    Auf das Schlimmste gefaßt war ich über die Schwelle ins Zimmer getreten. Aber was kann der Mensch ersinnen, das nicht die Wirklichkeit mit Übertreibung sogar längst hergestellt hat? Mit Dante hätte ich in die Unterwelt steigen müssen, um ein Schreckensbild zu suchen, wie es jetzt sich meinem Auge bot. Wachsbleich lag ein nackter Körper vor mir auf den sandbestreuten Dielen.
    Das reiche Haar des Kopfes war zu einer verklebten Masse zusammengeronnen, die wie Pech den ganzen Schädel deckte. Über Stirn und Wangen zogen schwarze Streifen wie die Kohlezeichnung einer Kinderhand. Sie stiegen tiefer diese grauenvollen Schriftzüge und mit großen Brandblasen untermischt übermalten sie die Brust und den größten Teil des nackten Unterleibes. Um die Hüften schlang sich in verkohlten Resten alles das, was noch von dem Faltenwurf der Röcke übrig war. DieOber- und Unterschenkel waren nichts mehr als eine fleischige Masse, aus der sich das schwarze Blut stahl in kleinen mit Wasser vermischten Tropfen. Und doch, der ganze übelduftende Klumpen lebte noch. Er zuckte, er schrie sogar auf, wenn jemand auf die Diele trat und die unbarmherzigen Bretter sich bewegten. Wird man's verstehen können, daß ich, der Arzt, wie versteinert dastand und kein Glied bewegen konnte? Nein, der unseligste aller

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