Erlebnisse eines Erdenbummlers
Kochebäcker in der »Pfalz«, wo es Freitags Zwiebelkuchen gab und im zweiten Stock mein Vater wohnte. Wer zur Gesellschaft der »Rundbrenner« gehörte, kam in einer Woche in sämtlichen Wirtschaften der Stadt herum. Ich schloß mich diesem Kreise an, mehr, um bekannt zu werden, als weil ich auf den Traminerwein und die Schwartemagenspitzen versessen gewesen wäre, die bei diesen Feinschmeckern als Leckerbissen galten. Trotz alledem wollte meine Praxis in der Stadt sich nicht recht machen. Ich hatte Verwandte am Ort. Sie waren Vettern und Basen von meiner Frau. Sie hätten mir nützen können, wenn sie mich als Arzt genommen hätten. Da sie es einem Ministerssohne zu Gefallen nicht taten, schadeten sie mir, denn mancher wird sich gesagt haben: »An dem Schullehrersbub muß nicht viel sein, wenn die nächste Verwandtschaft sich ihm nicht anvertraut.« Sokam es, daß an manchem Abend mein Pferd mehr verfressen, als ich verdient hatte, und daß ich manche Stunde beim Nachbar Maas plaudernd unterm weitgeästelten Kastanienbaume saß.
Herr Maas – daß ich dem Leser diesen Mann nun vorstelle – war ein Ökonom, der wie der Onkel Bräsig die Theorie des Ackerbaus aus dem Eff-Eff heraus verstand und die Feldwirtschaft deshalb aufgab, weil zur damaligen Zeit mit allem Fleiß doch kein Gewinn zu erzielen war.
Er hatte seinen Hof zu Straßenheim verpachtet und lebte als genügsamer Rentner in Weinheim. Da er aber trotz seiner respektablen Körperfülle das Schollentreten nicht lassen konnte, so hatte er sich eine Jagd zugelegt und natürlich den dazu gehörigen Hund, damit er die Hasen finge, an denen sein Herr vorbeizuschießen pflegte. Fingal hieß der Köter, und es war ihm gelungen, sich in den Jägerkreisen einen ehrlichen Namen zu machen, obwohl er im hohen Kartoffelkraut drinnen mehr Feldhühner verspeiste, als er seinem Besitzer in die Jagdtasche lieferte. Nun gut, dieser Hund, ohne den man sich den Herrn Maas so wenig vorstellen konnte wie den Alkibiades ohne seine Dogge, bekam einen Kropf an den Hals. Sein Besitzer scheute kein Geld. Er fütterte seinen Freund mit Jodeisen, ließ ihn eine Lehmkur bei einem Kurierpastor durchmachen, schickte ihn in die Klinik einer Veterinärschule. Es war alles umsonst. Der Kropf wuchs und hing seinem Besitzer wie eine Schnapsbulle am Halse herunter.
»Ich werde ihn totschießen müssen, den Fingal,« sagte eines Tages tieftraurig der Herr Maas zu mir, als wir zusammen unterm Kastanienbaum saßen.
»Wenn der Hund nicht gerade standesgemäß durch eine Kugel enden muß, sondern eventuell auch unter meinem Messer sterben kann, dann, Herr Nachbar, würde ich Ihnen den Vorschlag machen, Sie geben mir den Fingal zur Operation,« versetzte ich.
Herr Maas rief seine Töchter herbei, befragte sie um ihre Meinung und die Sache wurde perfekt. Der Fingal lag eines Tages auf dem Operationstische und hielt mit musterhafter Ergebung in den Willen des Schicksals still. Als alles vorüber war und die Operationswunde vernäht, lag das Tier hinterm Ofen und leckte vom Boden das Wundsekret auf, das ihm vom Halse lief, wobei er mich mit seltsamen Augen musterte.
»Sie werden gut tun, wenn Sie dem Hunde in Zukunft aus dem Wege gehen,« bemerkte Herr Maas. »Er ist verteufelt scharf, und wer sich vor ihm auch nur nach einem Stein bücken wollte, mag sehen, daß er seine Hosen behält. Er vergißt nichts und verzeiht nichts.«
Nun, es kam anders. Fingal war in ein paar Tagen wieder gesund und derart verliebt in mich, daß er unaufgefordert das Federvieh der ganzen Nachbarschaft packte und mir zutrug. Was noch lebend ankam, konnte mir nicht angerechnet werden. Für manches tote aber mußte ich mit dem Inhalt meines Geldbeutels herhalten.
Das kleine Ereignis hatte übrigens Aufsehen erregt.Man sprach darüber und vor allem im Freundeskreise des Herrn Maas.
Zu diesem gehörte auch ein alter Gerber namens Schmitz. Er war ein Sohn der roten Erde. Sie hatte ihm einen dicken Kopf mitgegeben und alle Sünden gegen die deutsche Grammatik, die ein Mensch sich nur denken kann. Das »mir« und »mich« verwechselte er in einem fort. Dieser Unverbesserliche hatte kaum erfahren, welche Kur der Fingal überstanden hatte, als er auch schon »su« dessen Leibarzt eine lebhafte »Suneigung« in sich erwachen fühlte und beschloß, denselbigen »su« seinem Hausarzt »su« erküren. Su meinem Glück bekam er alsbald einen Karfunkel ins Genick und mußte zu Bette liegen. Ich war einigermaßen überrascht, als ich
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