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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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ich einst mit dem Mühlknecht gegangen, und kam nach Marienthal, als eben der Lehrer mit seinen Schulkindern vor einem Sterbehause das Lied sang: »Selig alle, die in dem Herrn entschliefen.« Hier sollte jemand begrabenwerden. Hatte ich den Toten behandelt? Nein. Ich besann mich. Ich hatte was im Blättchen gelesen. Es mußte sich um den Besenbinder handeln, der statt mit einem Doktor seinem Leben mit einem Strick ein Ziel gesetzt hatte. ›Ach ja, so ist das Leben,‹ dachte ich bei mir, ›mit dem Sterben hat seither noch ein jedes geendet. Wo dies geschieht, ist im Grunde genommen einerlei. Am Ende hättest du in Rockenhausen bleiben sollen.‹
    So grübelnd war ich auf die Wasserscheide bei Dannenfels gekommen und sah nun aus dem Sattel meines Pferdes heraus die breite Rheinebene vor mir liegen. Vom Donnersberg bis zum Melibokus hinüber ein schöner, blühender Gottesgarten. Da ging das Herz mir auf und ich mußte an jenen denken, der die Lilien kleidet. Und doch, und doch, er konnte wohl nicht jeden berücksichtigen mit der Kleiderlieferung. – Der Besenbinder – der Besenbinder! Immer trug er zerrissene Hosen. – Ob er in ganzen Stiefeln gestorben sein wird? – – –
    Zigeuner kamen gezogen, und ihnen voraus fiedelte einer von seinem Kutschersitz herunter fröhliche Weisen. Da rieselten mir die letzten Bedenklichkeiten vom Leibe und heiter und wohlgemut zog ich meine Straße hinunter gegen Bolanden zu. Ich kam noch durch manchen wohlhabend und sauber aussehenden Ort und hielt um die Mittagsstunde, allerdings ohne Festjungfrauen, meinen feierlichen Einzug in Worms. Im »Römischen Kaiser« leistete ich mir ein gutes Mittagessen und wollte ebenmein Rößlein aus dem Hoftor ziehen, als es auf der Straße Geschrei gab und einen Menschenauflauf. Ein Epileptiker hatte Krämpfe bekommen und wälzte sich in greulichen Zuckungen in der Gosse. Ich machte geltend, daß ich Arzt sei, und leistete Hilfe, soviel sich eben leisten ließ. Als der Kranke sich zu erholen anfing, wollte ich mich wieder in den Sattel schwingen. Aber da merkte ich, daß an mir etwas fehlte, was vorher da war. Was war das nun? Verflucht aber auch; meine Geldtasche hing nicht an mir. Meine Geldtasche mit allem, was wir im Zeitraum von dreieinhalb Jahren auf die Beine gebracht hatten. Schöne Geschichte das, wenn sie fort war! Ich stürze in den Speisesaal. Da hängt sie an einem Fensterriegel. Gott sei Dank! Jetzt aber los und aus dieser Stadt hinaus. Auch wenn man nicht gerade Luther heißt, kann es einem schwül da werden.
    Ich kam an den Rhein, und die alte Schiffbrücke, die nach dem Rosengarten führte, schwankte unter mir. Das Pferd wurde unruhig und blies durch die Nüstern, als es nichts anderes um sich sah, als Wasser und auf diesem einige schwankende Kähne. Bald waren Pferd und Reiter auf dem rechten Rheinufer und passierten zwei nüchterne Rieddörfer. Dann ging's hinein in den Lorscher Wald, zwischen dessen uralten Stämmen noch heute der Geist des Schinderhannes und seiner Spießgesellen spukt. Hat man erst den Forst im Rücken, so liegt der Odenwald vor einem wie eine Reliefkarte.
    Burgen grüßen von den Spitzen der Berge herüber, und an den Hängen hin strecken sich, mit Schlössern undKirchen durchschossen, die lachendsten Städtchen und Dörfer. »Und da drüben in diesem Paradiese, dem eben die scheidende Sonne den Gutenachtkuß gab, da soll nun künftig deine Wohnung stehen.« Der Gedanke machte mir das Herz weit und freudenvoll und selbst mein Pferd schien sich zu freuen.
    Es wieherte laut und trabte munter auf dem Weschnitzdamm der neuen Heimat entgegen.

»Es regt sich was im Odenwald«

    ie erste Nacht kampierten wir bei meinem Vater, wo derweilen meine Frau und Kinder angekommen waren, um am nächsten Morgen schon mit dem Aufstellen der Möbel in der eigenen Mietwohnung zu beginnen. Alles war durch meinen alten Herrn gut vorbereitet worden, und beim Krämer Bundschuh prangte am Abend schon an der Hausecke ein Porzellanschildchen mit der Aufschrift: » Dr. Karrillon, praktischer Wundarzt« und, was weiß ich, was noch sonst für eine Sorte von Heilkünstler. Wer bei Bundschuhs Kaffeebohnen oder Gewürznelken kaufte, konnte gar nicht anders, er mußte die große Botschaft lesen, daß ein neuer Stern über Bethlehem aufgegangen sei. Als nun gar noch der Anzeiger in einem Arabeskenrahmen die staunenswerte Kunde brachte, da mangelte es schon bald nicht mehr an Patienten. Die ersten, diemir ihr Vertrauen schenkten, waren

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