Erlebnisse eines Erdenbummlers
Schinderhannes von Operateur zur Hand wäre, könne dem Großvater vielleicht doch noch einmal geholfen werden. Den Pfarrer haben wir schon gehabt, für eine gute Himmelfahrt ist gesorgt, wollt Ihr nun nicht so gut sein und nach dem Hofe da herüberkommen?«
Ich war natürlich sofort bereit zu gehen, ließ erst nur kurz den Gaul am Röhrenbrunnen vor der Treppe seinen Durst stillen und trat dann in die Stube. Eine Hand schob einen Bettvorhang über Seite. Ich fand meinen Patienten und an diesem alles, wie es der Streichriemen zu Beersbach geschildert hatte. Es war da mit nichts anderem zu helfen, als in der Tat nur mit einem raschen chirurgischen Eingreifen. Vorsichtig und mit schönen Worten wollte ich dieses eben in Vorschlag bringen, als der Kranke entschlossen meine Hand faßte und zu mir sagte: »Von Eurem Großvater habe ich auf dem Beerfelder Markt die beste Kuh gekauft, die je in meinem Stalle war. So kommt's, daß ich Vertrauen zu Euch habe. Wenn Ihr ein Messer bei Euch habt, ich bin bereit.«
Und der hochbetagte Greis wurde ohne weiteres auf den Tisch gebracht. Ohne Betäubung lag er schweigend da und ertrug die lange, schwierige Operation eines guten Viehhandels wegen.
Und er hatte Glück. Er kam mit dem Leben davon und mit soviel Rüstigkeit, daß er bald wieder in dem Felde stand und die Ochsen vor dem Pfluge hertrieb.
War's Einbildung von mir, oder war's Wirklichkeit?
Mir kam es nämlich vor, als ob die Leute den Hut tiefer vor mir abzögen, seitdem ich dem Bauer die Gesundheit wiedergegeben hatte. Menschen, die ich gar nicht kannte und die aus fremden Kirchspielen in die Gegend gekommen waren, blieben stehen und musterten mich und mein Pferd.
»Sollte da nicht der Röhrig die Hand im Spiele haben?« dachte ich mir und ich gab mir Mühe, wieder einmal mit ihm zusammenzutreffen. Seine Bahn war nämlich wie die eines Kometen zu berechnen. Am Samstag in aller Herrgottsfrühe ging er mit dem grünen Beutel in Steinach weg und kam lange vor Tag in Oberlöhrbach an. Von Hof zu Hof rasierte er die Bauern im Bett, das lange Tal hinunter. Um sich eine Abwechslung zu schaffen und anderen ein Vergnügen, kitzelte er auch nebenher einmal an einem Fuß der Bäuerin, wenn gerade ein solcher unter einer Bettdecke hervorschaute. Hatte er so seine Witze gemacht und die Bauern für den Sonntagsgottesdienst im Löhrbachtal zugestutzt, so überschritt er zu gleichem Zweck die Höhe von Buchklingen und kam nach Gorxheim herüber. Dort war er mit Sonnenaufgang zu erwarten. Also richtete ich es so ein, daß ich in Gorxheim war, wenn er aus dem Staatswald heraustrat. Nach den Buchen hatte ich seither vergeblich hinaufgespäht. Da sah ich den Bürgermeister des Dorfes auf seiner Treppe stehen, wie er mit einem grauen Handtuch das Blut aus seinem großen Vollmondsgesicht wischte.
»Guten Morgen,« sagte ich und »war der Röhrig da?«
»Wie Ihr seht,« gab er mir zur Antwort. »Was mir das Aas schon für Blut abgezapft hat, tat fast ein Mühlrad treiben. Aber ein Kerl ist er halt doch. Er haut die Stoppeln einem aus dem Gesicht, daß die Schwarten fliegen wie vor einer Kreissäge.«
»Ist er noch in der Nähe hier herum?«
»Hört Ihr nicht das Schaben seines Messers? Er wird im Wasserbau daneben sein und die Holzknechte bedienen.«
Gewiß, ich hörte ein Kratzen, aber ich hatte es für das Geräusch einer Wurzelbürste genommen; bis es plötzlich aufhörte und der Röhrig mit eiligen Schritten im Hofe erschien.
»Gott's en Dunner,« sagte er, »der Doktor schon in aller Herrgottsfrühe! Ihr werdet doch nicht schon wieder einem alten Mann den Bauch aufgeschnitten haben? Tut mir den Gefallen und laßt die Alten sterben. Sie sind so schwer zu rasieren mit den vielen Falten in den Judasgesichtern drin; und er ließ mich stehen und lief ins Nachbarhaus hinein.
»Fort ist er, und wann trifft man den mal wieder?« fragte ich den Bürgermeister.
»Oh, wann die Bärte wieder gewachsen sind. Alle Samstag hier im Dorf. Aber hört doch nur, ein Fuhrwerk kommt soeben das Tal herabgesaust. Sind da die Pferde durchgegangen oder braucht einer eilig einen Doktor? Seht nur, dort biegt der Karren eben um die Ecke. Er muß von weither kommen aus der Hinterzent. Man sieht's am Messingzeug der Kopfgeschirre. Stell'dich am Weg auf, Liskathrin, und schrei dem Fuhrmann zu, wenn er einen Doktor braucht. Da wäre einer, sag'!«
Der Zuruf galt einer Magd, die am Brunnen stand.
Der Bürgermeister hatte richtig vermutet und nicht umsonst die
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