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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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und stampfte mit den Füßen. Da endlich kam der ersehnte Schwarzfrackteufel. »Drei Kaffee,« sagte ich und warf ein Fünffrankstück auf die Marmorplatte.
    »Sofort, mein Herr, zwei Frank zurück. Ich werde wechseln lassen.«
    Auf dieses Wechseln warte ich noch bis auf den heutigen Tag. Vom Perron herein schrien meine Damen ängstlich und winkten mit den Hutschachteln. Ich ließ mein Geld im Stich und eilte aus dem Saal. Meine einzige Beruhigung war ein Engländer, der langsamseinen Mokka schlürfte und dann in gemächlicher Seelenruhe seine Pfeife stopfte. ›Kommt der noch recht,‹ so dachte ich, ,›so kommst du auch nicht zu spät. Er hat auch noch nicht bezahlt.‹ Aber plötzlich stand der Nachkomme Wilhelms des Eroberers auf, legte einen grünen Fetzen Papier auf den Tisch und verschwand mit einem Angelstecken in einem Kupee. Hinter ihm her meine Damen und hinter diesen ich.
    Als wir dem Jura entgegenrollten, erzählte ich mein erstes Abenteuer auf eidgenössischem Boden einem Bundesbruder des Wilhelm Tell, der in der Schützenjoppe neben mir saß und fragte, was der grüne Zettel des Engländers für eine Bedeutung haben könne. »Cha, cha,« fing der an zu röcheln, »'s isch wohl e Coupon g'sin von dem Reisebureau Cook & Comp. So hat der Chaib noch viele in der Tasch. Mit dem grünen Zettel zahlt er seinen Kaffee in Basel, mit dem roten das Mittagessen in Rom und mit einem gelben seinen Strohsack in Neapel. So drückt er sich ums Trinkgeld, wird beim Wechseln nicht bemogelt und profitiert noch alleweil Zeit.«
    Geriebene Luders sind sie doch, diese Engländer und unsere Konkurrenten auf dem Weltmarkte, mußte ich voll Schwermut denken, als der Zug durch das Dunkel des Hauensteintunnels sauste. Dann aber wurde ich wieder froh, als die Bergesnacht hinter mir lag und die saftgrünen Ufer der Aar mir entgegenlachten.
    Bald war Luzern erreicht und der Vierwaldstätter See. Dem Schöpfer sei's gedankt, daß er uns diesPrachtstück seiner schönen Erde so nahe gelegt hat. Kein Deutscher sollte sterben, ohne diesen Gletscherspiegel gesehen zu haben. Mehr kann ich nicht sagen, denn wie durch ein Wunder waren wir allzuschnell durch den smaragdgrünen See getragen, der Kapitän unseres Schiffes hatte »rackwärts« kommandiert, und wir standen bei Flüelen am Eingang des Reußtals. Hier auf der Schaubühne der Wilhelm Telltragödie erwartete uns ein Eisenbahnzug und schleppte uns den Wasserstürzen des schäumenden Flusses entgegen nach Göschenen hinauf. Das Dunkel des Gotthardtunnels schenkten wir uns. Ich war mit meiner Frau schon zu lange verheiratet, als daß uns dieses Dorado verliebter Hochzeitsreisenden noch verlocken konnte. Wir stiegen vorm nördlichen Tunneltor aus und gingen selbdritt über die Teufelsbrücke nach Hospental, wo wir einkehrten, um uns ein wenig zu erfrischen. Nach dem Essen setzten wir unseren Weg fort nach dem Gotthardhospiz empor. Es ist ein nicht gerade mühsames Aufsteigen in dem alten Saumpfad, der zuweilen die Landstraße schneidet, um sich dann wieder durch Geröll und Steine hindurchzuwinden. Längst schon ist der letzte Wacholderstrauch entschwunden, und in einer öden Steinwüste erscheinen die kahlen Mauern des Hospizes doppelt vor unseren Augen, weil sie sich einerseits auf dem Blau eines südlichen Himmels und andererseits auf der glatten Fläche eines Bergsees widerspiegeln. Wir umgehen eine scharfe Gebäudeecke und treten in die große Wirtsstube eines kalten Hauses, aus dem die Gemütlichkeit ausgezogen ist. Kaum nur, daßes gelingt, mit Rufen und Klopfen ein weibliches Wesen herbeizulocken, das eine Schüssel Milch bringt und sie wortlos vor uns auf den Tisch stellt. Wer sich zunächst darüber hermacht, das ist ein Schwarm von Fliegen. Ihrer viele arrangieren ein Wettschwimmen, während wir dem Gezappel zusehen, gähnen und uns fragen, was wir mit den Stunden anfangen sollen, die es noch dauern wird, bevor die Nacht erscheint und das Abendessen bringt. Meine Frau kommt auf den Gedanken, daß wir eine der Höhen erklettern möchten, die rings den Talübergang umstarrten. Gedacht, getan, und eine Stunde später schon schlitterten wir auf den glatten Grashängen herum, die mit spärlichem Grün diese Gipfel übermalen. Das Gehen wurde immer schwieriger, die Luft dünner, das Atmen kurz und kürzer bei raschem Schlagen des Herzens, plötzlich fiel meine Frau nieder und riß sich die Kleider von der Brust. Wir zwei andern standen dabei mit einer ungefähren Ahnung im Herzen,

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