Erlebnisse eines Erdenbummlers
schimpfen, die von einer Kellerbehandlung des Rebensaftes keine Ahnung hätten. Immer war mein Reisebegleiter verstimmt und lachen sah ich ihn nur ein einziges Mal und das war vor der Kirche San Fernando.
Als wir vor deren säulengeschmücktem Portale im Mondenschein promenierten, hatte sich so eine glutäugige Parthenove an mich herangeschlichen mit dem ehrenvollenAnsinnen, daß ich sie nach Haus begleiten möchte. Da es nicht in meiner Natur liegt, einer Aufforderung zum Tanz mit einer Grobheit zu begegnen, so lehnte ich dankend ab unter dem plausiblen Vorwand, daß ich mit meinem Vater reise. Ob die Schöne dieser Ausrede schon einmal im Leben begegnet ist, weiß ich nicht. Keinesfalls aber kam sie dadurch in Verlegenheit. Ehe ich's nur dachte, war sie mit der schlagfertigen Antwort bereit: »Nehmen Sie Ihren Vater nur mit. Zu Hause ist auch für den noch eine zu finden.« Wie gesagt, bei der Gelegenheit lachte Herr Merkte, und noch einmal, als er erfuhr, daß man auf dem Wege nach dem Vesuv in einer Osteria die Marke »Lacrimae Christi« rein zu trinken bekäme. Von jetzt ab drängte er auf eine Besteigung des Vulkans.
Wir versuchten, am Bahnhof zu Neapel, ein Billet nach Pompeji zu lösen, indem ich Pompeji forderte.
»Bombay, oder Vale Bombay?« schrie mir der Schalterbeamte entgegen.
»Bombay?« so fragte ich mich verwundert. Wenn ich auch für mein Leben gern nach Indien und an die Türme des Schweigens gekommen wäre, so paßte es mir in diesem Augenblicke doch nicht recht und ich sagte auf gut Glück: » Vale ,« worauf ich eine Fahrkarte bekam.
Ich zahlte eine mäßige Summe und stieg mit Herrn Merkle in den Zug, der sich in einer Richtung vorwärts bewegte, die, gemäß meiner Kartenkenntnis, nach Pompeji führen mußte. Der größeren Sicherheit wegen guckteich immer zum Fenster hinaus, bereit auszusteigen, sobald ich die von Abbildungen her bekannten Ruinen sehen würde. Ein paar Stationen nur, und sie guckten hinter dem graugrünen Laubwerk ehrwürdiger Olivenbäume hervor. »Nun aber raus aus dem Kasten!« rief ich dem Herrn Merkle zu, und wir standen auf dem Bahnsteig. Aber jetzt kam mit großen Gesten der Zugführer auf uns zu und suchte uns klarzumachen, daß der italienische Eisenbahnfiskus sich von niemand auf der Welt etwas schenken lasse. Nach Vale Bombay lautete unser Billet, und bis dahin hatten wir auch die Pflicht zu fahren, und einen freiwilligen Verzicht auf die Strecke von anderthalb Kilometern wollte der stolze Spanier durchaus nicht gelten lassen. Herr Merkle, der zehn Worte mehr vom Italienischen verstand als ich, führte die Unterhandlungen und erzielte für uns einen Erfolg dadurch, daß er sich noch schwerhöriger stellte, als er in der Tat war. Kurzum, der Zugführer schrie sich müde und ließ zu guter Letzt uns beide stehen, wo wir standen, und fuhr mit seinen anderen Reisenden südwärts weiter. Erst lachten wir zwei uns eine Weile an, dann gingen wir nach Erlegung eines Obolus durch ein Tor in die wieder ausgegrabene Stadt hinein. Das erste, was wir sahen, war ein vor eine Haustür gemalter Hund mit der Unterschrift: » Cave canem. « »Was soll das bedeuten?« fragte Herr Merkle.
»Ich nehme an, daß im Anfang unserer Zeitrechnung die Pompejaner schon kluge Köpfe waren, die sich zu helfen wußten. Sie malten den Hauswächteran die Wand und brachten den Staat um die Hundesteuer.«
»Das läßt sich hören,« sagte er. »Wenn sie nur aber auch verstanden hätten, ihre Weine besser zu bauen. Will sehen, was sie uns vorm Tor da im Hotel Schweizerhof vorsetzen werden.«
Wir gingen weiter und sahen noch mancherlei, was sich schöner aus dem Baedeker herauslesen läßt, als ich es sagen kann. Bei einbrechender Dunkelheit aber saßen wir im Gasthof hinter einer Flasche dunkelroten Weines.
»Die reine Tinte,« versicherte Herr Merkle und fuhr fort: »Wenn's auf dem Vesuv oben morgen nichts Besseres gibt, hätten wir uns die Reise hierher ersparen können. Haben Sie übrigens zur Bergbesteigung die Pferde bestellt?«
»Ja und auch einen Mann, der Ihren alten Knochen in den Sattel hilft. Daß Sie's nur wissen: Punkt drei Uhr reiten wir los.«
» All right ,« erwiderte er in einem Anfall von englischer Krankheit, die zuweilen über ihn kam.
Ich erinnere mich noch recht gut, daß ich in jener Nacht von Lavaströmen und dem Kollegen Plinius träumte, der die Katastrophe von Pompeji beschrieben hat, daß ich aber plötzlich wach wurde, als ich das Schlagen von Hufeisen auf dem
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