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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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noch keine Schulsorgen, und wenn er den Löffel aus dem Mund gelegt hatte, konnte er in den Garten eilen zu seinem Wutzchen. Die Zwei tollten miteinander herum und wenn sie müde waren, schliefen sie nebeneinander im warmen Sande des Kiesweges. Der Himmel lohne den guten Willen der armen Steinhauersfrau. Der reichste aller meiner Patienten hat mir soviel Glück nicht ins Haus gebracht wie diese Bettlerin.
    Immer roher, immer rücksichtsloser war derweilen unter dem veredelnden Einflusse der Krankenkassengesetzgebung die Form geworden, in der das übrige Publikum mit dem Arzt verkehrte. Er kostete ja nichts mehr und auf ihm konnte man herumtreten wie auf dem Abputzlumpen vor der Haustür. Wer nachts ins Feld ging,schellte und gab den Kassenzettel ab: »Er soll ihn ausfülle, daß man am Samstag 's Geld holle kann,« riefen sie dem Dienstmädchen zu und schoben unter der Tür das Kassenformular ins Haus herein. Bei allem guten Willen war nun der Arzt außer Stande, den Zettel auszufüllen, denn die Tintenbuben der Kassenverwaltung waren zu faul, auch nur den Namen des Bezugsberechtigten auf dem Wische zu bemerken. Wie sollte nun der Doktor die anderen Fragen beantworten, die da lauteten: Beschäftigt bei ... Erkrankt am ... Verschwägert mit ... Geschieden von ... usw. So kam's denn, daß unser neues Mädchen den Auftrag erhielt, sich unter keinen Umständen mehr einen Krankenschein aufdrängen zu lassen, sondern jedes mit seinem Anliegen auf die Sprechstunde zu verweisen. Hätten wir noch die Eva Münch gehabt, so wäre das keine große Sache gewesen. Sie wußte mit den Pfahlbürgern umzugehen. Allein sie war nun nicht mehr da, und eine Perle von einem Mädchen aus Hammelbach war bei uns eingezogen. Ihre Menschenkenntnisse gingen soweit, daß sie ein Mannsbild von einem Weibsbild wohl, aber einen Kerl von einem Herrn nicht unterscheiden konnte. Ihre Heranbildung zum Kulturwesen unsererseits mußte sich auf eine Art von Dressur beschränken. Du darfst die Nase nicht in den Unterrock putzen und keine Krankenscheine entgegennehmen, das war's, was sie so ungefähr begriffen hatte, als sich eines Tages ein Herr von Hornstein mir im Kasino vorstellen ließ.
    Der höfliche Mann reichte mir die Hand mit denWorten: »Ich hatte Ihnen, Herr Doktor, eine Antrittsvisite zugedacht, habe aber niemand von den Herrschaften zu Hause getroffen.«
    »Bedaure sehr, Herr von Hornstein.«
    »Nicht einmal meine Karte konnte ich bei Ihnen anbringen, da das Mädchen die Annahme derselben auf das entschiedenste verweigerte.«
    »Mir geht ein Licht auf, Herr Assessor. Werden Sie mich für genügend entschuldigt halten, wenn ich Ihnen eine Photographie von unserem Hausgeist verehre?«
    »Nicht nötig,« erwiderte er, »ich habe das Mädchen in der Erinnerung. Die Kleine sah nicht so aus, als ob sie wie weiland Athene aus dem Haupte des Zeus stamme. Ein Prost übrigens, Herr Doktor, auf dies Erlebnis hin.«
    Wir stießen die Gläser wider einander und sprachen von etwas anderem.
    Am nächsten Morgen traf ich unsere Perle, wie sie am Wasserstein stand und den Versuch machte, den Meerrettich darauf zu zerreiben. »Sie sind doch zu dumm, Bärbel,« sagte ich, »warum nehmen Sie nicht ein Reibeisen?«
    »Weiß ich denn, ob ich darf? Ich soll ja nicht einmal ein Papier nehmen.«
    »Gott sieh' mir bei, und weil Sie kein Papier nehmen sollen, deshalb haben Sie auch am Sonntag dem Herrn die Karte nicht abgenommen.«
    »Sell is aber net wahr! Erstens war kein Herrbei mir, sondern e Mannskerl, und zweitens hat er keine Kart gehabt, sondern e weiß Papierle.«
    »Ja und dies Papierle eben war dem Herrn seine Karte.«
    »Gott laß Ihne Ihrn Verstand und mir den meinen auch. Glauben sie, die Orewällische wäre hinterm Mond dehaam und täten die Kart nit kenne? Im ›Bäre‹ zu Hammelbach, potz Donnerkeil, da karten die Leineweber alle Samstag.«
    Na, ich war geschlagen und zog mich auf meine Stube zurück, um das Frühstück einzunehmen, während die Bärbel in einem der vorderen Zimmer Fenster putzte. Plötzlich stand sie mit dem Putzlumpen in der Hand vor mir, fuhr sich mit dem Ärmel unter der Nase her und sagte zutraulich: »An der Türe draußen, da klappert wer. Was meine Se, Herr, wolle wir den reinlassen?«
    Ich belehrte sie: »Ja Bärbel, wenn's an die Türe klopft, dann pflegt man ›Herein!‹ zu rufen. Wer draußen steht, besorgt dann das Weitere schon selbst, vor allem, wenn er Geld will.«
    Sie ging also ins Zimmer zurück und schrie, so laut

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