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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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sollte, und damit war ich einverstanden. So schön die Landschaftsbilder auch sein mögen, immersind sie doch aus Felsen, Gletschern, Wassern und Himmel zusammengemalt. Dem Norden fehlen die Ruinen, die von der Menschheit Kindertagen zu uns reden. Die Geschichte fehlt ihm, die um Tempelsäulen heilige Träume windet und uns mit Helden, Halbgöttern und Göttern in Verbindung bringt, ohne deren erlauchte Gesellschaft doch nur der Proletarier leben mag.
    Molde liegt vor den schneebedeckten Bergen von Romsdalen in geschützter Lage. Hier wachsen die letzten Rosen. In wilden Ranken klettern sie an Häusern und Zäunen hin und ihre großen weißen Blüten schwängern die Luft mit Wohlgerüchen. Es ist wirklich nicht übertrieben, wenn ich sage: Man riecht das kleine Städtchen, bevor man noch seine Häuser sieht, und doch hatte ich scharf genug nach ihnen ausgeguckt.
    Wie ich als unverbesserlicher Idealist bei Oberwesel immer denke, ich müßt' einmal die Lorelei sehen, so konnt' ich mich hier im Norden von dem Gedanken nicht freimachen, daß mir doch noch nach all den bleichen Stockfischgesichtern eine Ingeborg übern Weg laufen könne. Ganz ohne realen Hintergrund war mein Hoffen auch nicht. Ich hatte nämlich unserer Stewardeß, die als eine Schönheit mittleren Ranges gelten konnte, einmal geklagt, daß eine solche ersten Ranges mir noch nicht vor die Augen gekommen wäre.
    »Warten Sie,« hatte sie mich getröstet, »wenn wir nach Molde kommen, dann zeige ich Ihnen eine.«
    Nun war Molde da, und man wird es mir nicht zur Sunde anrechnen, wenn ich an der Reeling stand,um das Gegenstück zu jenem Götterbild in Blond zu sichten, das ich in Schwarz beim Knopfannähen zu Genua bewundern durfte. Ich stand, sagen wir einmal, wie angenagelt da und suchte die Holzmole ab, an der unser Schiff festmachen mußte. Na gut, da wimmelte etwas wie Kraut und Rüben durcheinandergemengt von Gottes Ebenbildern herum, aber so was, wie es Tegner in der Frithjofssaga schilderte, war nicht dabei.
    Mit einem Male aber ging es mir wie dem Türmer im zweiten Teil von Goethes Faust:
    »Harrend auf des Morgens Wonne,
Östlich spähend ihren Lauf,
Ging auf einmal mir die Sonne
Wunderbar im Süden auf.«
    An einer Rosenhecke nämlich öffnete sich ein Gartentürchen, und eine hohe, blonde Schöne trat ans Meeresufer heran. Wie Aphrodite selber stand sie da, und, o Wunder, sie winkte mir sogar mit einem Taschentuch, das aus weißen Rosen zusammengesetzt erschien. Konnt' ich meinen Augen trauen? Galt dies Grüßen wirklich mir? Im frommen Glauben nahm ich's vorläufig an, im stillen freilich fürchtend, daß mein schöner Glaube durch irgendeine banale Trivialität vernichtet werden könne.
    Und wirklich. Eine ungebetene Hand legte sich von hinten erbarmungslos auf meine Schulter. Gekränkt fast drehte ich mich um. Und wer stand da? Daß sie der Himmel für den Frevel strafe – unsere Stewardeß.
    »Haben Sie nun gefunden, was Sie suchen?« fragte sie.
    Ich hauchte ein »Ja« in den Rosenduft hinein und ließ neben meiner Pfeifenspitze heraus mir die Worte entschlüpfen: »Und sehen Sie denn nicht das Mädchen dort, sie fängt schon wieder an, mir zu winken,«
    »Dies dürfte wohl nicht Ihnen gelten, sie, die da steht, ist meine Schwester.«
    »Ihr Fläschchen,« sagte ich, »wenn mich nicht die Vernichtung treffen soll. Aber immerhin besser noch Ihre Schwester, als die meine. Könnte man übrigens nicht einmal mit dieser Himmelserscheinung zusammen irgendwo einen Kaffee trinken?«
    »Ei, warum denn nicht, meine Mutter wird sich freuen, wenn Sie uns die Ehre Ihres Besuches schenken.«
    So war denn das erste Kapitel eines kleinen Romans geschrieben. Die nächste Fortsetzung war leider schon sehr langweilig. Nicht jeder kann sich wie der König von Kypros Pygmalion in ein elfenbeinern Bild verlieben, und was ist das schönste Weib denn anders, wenn ihm die Worte fehlen, uns zu sagen, was in ihr vorgeht. Der Teufel mag den holen, der am Turmbau zu Babel schuld ist und der Sprachverwirrung. Er hat uns doch um manchen Genuß gebracht.
    Nach zwei Tagen schon kehrte unser Dampfer sein Bugspriet wieder dem Süden zu. Ich glaube, die Frau meines Freundes war froh, daß wir von Molde loskamen, denn keine schöne Frau fühlt sich ganz behaglichan einem Orte, wo eine noch schönere neben ihr existiert.
    Sechs Reisetage teils zu Wasser, teils zu Lande noch und wir waren wieder, wo jeder hingehörte, zu Hause und was ein jeder für sich mitgebracht, war die

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