Erlebnisse eines Erdenbummlers
besitzen, in denen sie unbedingt tonangebend sind. So diese Norweger in der Kunst des Spuckens.
Unser nächstes Reiseziel war Bergen. Daß wir Menschen über die Amphibien hinweg von den Fischen abstammen, zu diesem Glauben verführte mich vor allemmeine Liebe zum Meer. Ich liebe es, wenn es wie ein Kind still in seiner Felsenwiege liegt, und ich liebe es auch, wenn es wie ein ungezogener Junge daherstürmt und mit Händen und Füßen um sich schlägt. Ja, ich liebe es sogar dann noch, wenn es wie ein Ungeheuer wütet, seinen weiten Rachen öffnet und mit blinkendem Gebisse mich zu zermalmen droht.
Wir hatten eine stürmische Nachtfahrt. An ein Schlafen war nicht zu denken, und um Gesellschaft zu haben, bat ich den Kapitän, daß er mich zu sich auf die Brücke ließe. Er tat's, nachdem ich ihm versprochen hatte, daß ich stumm sein wolle wie eine Weinbergschnecke. Der Seemann liebt den Schwätzer nicht. Sein Amt verlangt Taten von ihm und nicht Worte. In jedem Augenblick hängt Leben und Gesundheit, Hab und Gut von der Ruhe seiner Entschlüsse ab. Gott und sich selber verantwortlich steht er an einer Stelle, wo niemand ihm raten kann, keiner ihn belehren soll. Allein des Himmels Sterne sind seine Wegweiser in der uferlosen Breite und das Licht der Leuchtfeuer sein Führer. Die Flammen hat er zu beachten, ob ihr Schein aus der Unendlichkeit zu ihm dringt, ob von den Türmen des Ufers oder wie ein Leuchtkäfer aus dem schwarzen Nachen des Meeres. Ja, da unter uns, wo mit scharfem Sporn der Kiel die Meerflut pflügt, da vor allem lauert die Gefahr. Nicht höher oft als der Rücken eines Alligators ragt ein schwarzer Fels aus dem Wasser heraus. Wehe dem Schiffe, das auf ihn stößt! Bei der Schnelligkeit der Bewegung wirkt der plumpe Stein wie ein Dolch imGekröse eines Menschen. Im Nu ist ein Loch in der Wand, das Herz des Schiffes steht still, die Maschine erstickt vor der eindringenden Flut. Die Schwere wirkt, und alles sinkt dem Mittelpunkt der Erde zu oder so weit wenigstens, als der Grund des Meeres dies erlaubt. Um die Gefahren für die Schiffahrt zu vermindern, haben allenthalben die Regierungen eingegriffen und einen regelmäßigen Befeuerungsdienst eingerichtet. Achtundzwanzigtausend Feuer brennen zwischen Stavanger und Hammerfest und warnen, soviel sie können, den Schiffer.
Die Nacht entschwindet, aber es erbleichen nicht alle Feuer. Viele brennen Tag und Nacht weiter. Sie befinden sich auf menschenleeren Eilanden. Nur von Zeit zu Zeit betritt einmal ein Schiffer das Gestade und füllt die Lampe mit Öl, damit sie weiter warne, ein guter Geist.
Es war an einem Vormittage, als der »Sigurd Varl« vor Tyskebryggen zu Bergen festmachte. Diese »deutsche Brücke« ist eine lange Reihe von alten Holzhäusern, die in gerader Front dastehen und alle ihre hohen Giebel dem Hafen zukehren. Sie enthielten vorzeiten die Büros der hanseatischen Handelsfürsten und auch die Wohnräume für Kaufleute, die nach dem Norden ausgesandt waren, um Geschäfte zu machen. Diese Sorte von untergeordneten Menschen mußte ehelos bleiben. Für ihre Geschäftsherren hatte das den Vorteil, daß man sie mit geringen Umzugskosten bald an diesen, bald an jenen exponierten Punkt der Erde werfen konnte. Ichweiß nicht, ob sie durch einen Eid zum Zölibat verpflichtet wurden, weiß auch nicht, ob man ihnen eine Tonsur auf den Wirbel rasierte, um sie den Weibern als verbotene Frucht kenntlich zu machen, ich merkte nur, daß die Handelsfürsten dem allem mißtrauten, dafür aber den Bau der Häuser so einrichteten, daß Plus und Minus durch Mauern voneinander geschieden waren. Wunderbare Vorstellungen werden in einem wach, wenn man neben den Betten die Löcher sieht, durch welche nur die obere Hälfte eines Weibes sich drängen kann, um die Federn aufzuschütteln – –
Als wir die sinnige Einrichtung genügend besichtigt hatten, erlaubte ich mir gegen Herrn Kalbow die Bemerkung: »Wird's viel geholfen haben?«
Seine Frau hatte die Frage aufgefangen und antwortete an des Gatten Stelle: »I wo! Man baue einmal Mauern, durch die kein Luftzug dringt, und wo ein Wille ist, da ist auch immer ein Weg.«
»Guck, Walli, du gerade mußt das wissen,« sagte ihr Mann, und lachend gingen wir weiter.
In den Straßen von Bergen suchte ich vergeblich nach jenen blondschlanken Erscheinungen, wie sie die deutsche Phantasie so gerne in Tegners Frithjofssage hinein illustriert. Was da auf dem Fischmarkt herumwimmelte von holder Weiblichkeit war nicht so,
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