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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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ob es nur eines gäbe auf der Welt,‹ überlegte ich und warf so kurz hin: »Welches meinst du wohl? Wohinaus zielt deine Frage?«
    »Verstelle dich nur nicht. Sicher bin ich, du hastsie längst bemerkt. Alle Welt ist von ihr entzückt, in erster Reihe natürlich die Herren.«
    »Dann wird's aber höchste Zeit, daß auch ich mir das Mirakel ansehe! Sag' mir doch, so schnell es dir möglich ist: Wo weilt sie nur, hinter welchem Ladenfenster ist die Sehenswürdigkeit ausgestellt?«
    »Als ob du und gerade du nicht längst schon besser orientiert wärst als unsereiner, der im Tage kaum jemals mehr als drei Kaffeegesellschaften mitgemacht hat. Übrigens vor einer Stunde etwa bin ich ihr zum erstenmal begegnet. Am Rochensteinbrunnen droben, und ich muß sagen, daß ich es nur verstehen kann, wenn so viel Anmut und Schönheit den Herren die Köpfe verrückt.«
    »Habe ich dir's nicht immer gesagt, du solltest meine Kragen steifer bügeln! Gegen so ein Kopfverrücken ist das meiner Ansicht nach das einzig praktische Schutzmittel. Im übrigen hast du meine Neugierde aufs höchste gesteigert. Ansehen muß ich mir auf alle Fälle dieses Wesen, schon deshalb, weil du soviel Wesens aus ihm machst,« und ich ging gleich nach dem Essen, um die ganze müßige Unterhaltung wieder zu vergessen.
    Vielleicht hat es noch ein Vierteljahr gedauert, vielleicht auch länger noch, bis ich im Kasino einmal einem Ingenieur Kalbow vorgestellt wurde und auf dem Heimgang von anderen erfuhr, daß er der Mann der allerschönsten Frau sei, die zurzeit an der Bergstraße zu sehen wäre. Als ich nun wirklich einmal hinter einer jungen Dame herging, die unter ausgesucht eleganter Kleidung die Körperformen der Venus Kallipygos versteckte, fühlteich natürlich das Verlangen, den Avers der Medaille kennen zu lernen. Monate gingen abermals ins Land, und was derweil aller Welt gelungen war, blieb mir versagt, nämlich mit dem reizenden Wesen einmal zusammenzutreffen, und zwar obwohl und trotzdem, daß ich mit ihrem Manne des öfteren Skat spielte. Als wir wieder einmal eine Partie beendet hatten und uns mit dem Stadtklatsch nicht befassen wollten, sagte Herr Kalbow zu mir: »Wie wär's, Herr Doktor, könnten wir nicht zusammen reisen, wenn es Sie in diesem Jahre wieder einmal in die Weiten hinausziehen sollte?«
    »Keinen, den ich lieber auf der Reise neben mir sehen möchte, als Sie, Herr Kalbow,« erwiderte ich, »und nach welcher Himmelsrichtung wünschen Sie, daß uns die Dampfkraft tragen soll?«
    »Mir ganz egal, meinswegen nach dem Nordpol. Und was meine Frau, die Walli, betrifft, des bin ich überzeugt, die macht mit, und wenn sie Lebertran trinken muß statt der Morgenschokolade.«
    »Gut denn, fahren wir mal zu den Eskimos hinauf.«
    Und wirklich, keine vierzehn Tage waren vorüber, und wir gingen selbdritt zu Hamburg auf den »Sigurd Varl« und fuhren der norwegischen Küste entgegen. O, glückliches Deutschland, als es deinen Kindern noch möglich war, für einen Preis, den man heute für eine Fahrt auf der Straßenbahn anlegen muß, die halbe Welt zu sehen.
    Die Seekrankheit legte eine leichte, interessante Blässe ins seine Ovalgesicht unserer Reisegefährtin, aber nichtlänger als wir brauchten, um das Skagerrak zu überqueren. In Stavanger bereits glich die Wangenfarbe wieder dem Blatt der wilden Rose, und unsere Freundin konnte in vollen Zügen die Bewunderung des männlichen Teils der Reisegesellschaft einheimsen. Wir waren für ein paar Stunden an Land gegangen und ich meinerseits hatte mich in eine Schenke verirrt, um einen Kümmel zu trinken. Ein halbes Dutzend verwegen aussehender Seeleute saßen in dem niederen Zimmer zu Stavanger. Jeder von ihnen hatte eine kurze Tonpfeife im Mund. Alle waren sie schweigsam, als ob sie in einer Kirche säßen. Vielleicht, daß dies Rauchen für sie eine stille Andacht vorstellte, wobei ihre Gedanken beim Schöpfer der Tabakpflanze weilten und der anderen Dinge, die es sonst noch im weiten Weltenraume gibt. Wie einen Gralsbecher hatten sie ein irdenes Gefäß in die Mitte ihres heiligen Kreises gestellt. ›Weiheschale‹ bildete ich mir ein, bis ich erkannte, daß der Topf die Funktion eines Spucknapfes übernommen hatte, wohin ein jeder der wackeren Heringfänger mit wunderbarer Geschicklichkeit seinen Speichel entleerte. Immer kann es mich ärgern, wenn ein Volk glaubt, daß es in allen Dingen vorbildlich sei. Man muß nur reisen, und man wird erkennen, daß auch andere Leute Spezialitäten

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