Erlöst mich: Thriller (German Edition)
bekäme, könnte sie die Plastikfesseln
zerschneiden, mit denen ihre Hände auf den Rücken gebunden waren.
Sie verdrehte sich, bis sie fast auf der Seite lag, und streckte die Finger aus. Da sie nichts sehen konnte, tastete sie vorsichtig die Matratze ab.
»Antworte mir!«, schrie Wise unkontrolliert, und Tina hörte den dumpfen Aufprall, als Wise ihn in die Hüfte trat. Milne gab keinen Laut von sich. »Wo sind meine Wachen? Was ist mit ihnen passiert?«
Mit der Spitze des Mittelfingers berührte Tina den Griff des Skalpells. Sie dehnte und streckte jeden Muskel und jede Sehne und achtete weder auf die Schmerzen in ihren Armen noch auf das Blut, das ihr übers Gesicht rann. Da Wise sie jeden Moment entdecken konnte, benutzte sie ihren Fingernagel, um das Skalpell langsam heranzuziehen, bis sie es mit Daumen und Zeigefinger ergreifen konnte.
Sie rollte sich wieder auf den Rücken, entspannte einen Augenblick lang die angestrengten Muskeln und begann dann, das Plastik durchzuschneiden.
Wise starrte durch die offene Tür, während Milne, dessen Kopf auf die Brust gesunken war, regungslos zu seinen Füßen saß. »Wenn du meine Fragen nicht beantworten kannst, habe ich keine Verwendung mehr für dich«, sagte Wise und wandte sich wieder Milne zu. Er packte den Revolver mit beiden Händen. »Willst du zusehen, Tina?«
Er schaute kurz zu ihr herüber, und Tina hielt inne, hoffend, dass er nicht bemerken würde, dass ihr Rücken Zentimeter über der Matratze schwebte.
Er bemerkte es nicht, sondern drehte sich zu Milne, richtete den Revolver auf dessen Kopf und drückte ab.
Doch nichts passierte. Der Abzug bewegte sich nicht. Er hatte vergessen, den Hahn zu spannen.
Mit zusammengebissenen Zähnen und von Hoffnung und Hass beflügelt, säbelte Tina verzweifelt an ihren Fesseln. Sie spürte, wie sie sich mit der Klinge ins Fleisch schnitt, achtete nicht darauf und schnitt weiter.
Wise spannte fröhlich lachend den Hahn, um den Abzug zu entlasten.
Die Fesseln fielen von Tinas Händen, doch als sie den Riemen durchschneiden wollte, mit dem ihr Kopf festgezurrt war, fuhr Wise herum und lief rot an. Er richtete den Revolver auf Tina. »Keine Bewegung, Schlampe!«, brüllte er, doch in seiner Stimme lag Panik. Tina ignorierte ihn und griff nach der Fessel in ihrem Nacken.
Wise drückte ab, und der Raum füllte sich mit Korditgestank und dem trockenen Klang des Revolvers. Doch er hatte den Anfängerfehler begangen und den gewaltigen Rückstoß des 45er unterschätzt, sodass der Schuss über Tina in die Wand schlug.
Sie schnitt den Riemen durch, befreite sich von den Fußfesseln, während Wise einen Moment lang irritiert auf die Waffe in seinen Händen schaute, ehe er erneut zielte. Sie schaffte es, sich vom Bett zu rollen, packte dabei den Kasten mit den chirurgischen Instrumenten und schleuderte ihn Wise entgegen.
Während dieser sich duckte, sprang Tina ihn brüllend an. Wise versuchte, den Revolver herumzuschwenken, konnte aber nicht mehr abdrücken, da sie bereits auf ihm war und ihm das Skalpell in die Wange rammte. Tinas Schwung beförderte beide gegen die Wand, wo sie zu Boden stürzten und Milne nur knapp verfehlten.
Wise schrie, ging in die Knie und ließ den Revolver fallen. Tina drückte ihn zu Boden und setzte sich auf ihn. Rasend vor Wut bemerkte sie den Revolver, packte ihn und drückte Wise den Lauf zwischen die Zähne. Sie spannte den Hahn und hätte liebend gern abgedrückt. Aber sie beherrschte sich. Ein Blutstropfen landete auf seiner Wange.
»Wir wissen von der Bombe«, zischte Tina und ignorierte die Tatsache, dass es bislang nur eine Theorie von ihnen war. »Wo ist sie?«, herrschte sie ihn an, zog den Lauf aus seinem Mund und presste ihn gegen seine Nasenwurzel. »Sag es mir. Jetzt. Sofort. Oder du bist tot.«
»Drinnen im Wohnzimmer«, erwiderte er mit zitternder Stimme, während das Blut aus seiner Wange schoss. Die Arroganz, die er noch vor wenigen Minuten zur Schau gestellt hatte, war verflogen. Er sah aus wie ein fettes verängstigtes Kind, seine Augen bettelten bereits um Gnade. »Bitte, tu mir nichts, ich weiß, dass ich böse war …«
»Halt die Klappe.« Sie rutschte von ihm herunter, zog ihn am Revers seines Anzugs auf die Beine und drückte ihn gegen die Wand. Dass ihre Theorie sich als richtig erwiesen hatte, befriedigte sie nicht, hätte sie falschgelegen, wäre alles viel einfacher gewesen.
»Dennis, bist du in Ordnung?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen oder die
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