Erlöst mich: Thriller (German Edition)
an ihr liebe. Neben ihr stehen unsere Kinder, und als sie mich sehen, kommen sie freudig auf mich zugerannt. Ich träume, dass ich sie in die Arme schließe und an mich drücke, denn sie und Emma sind das Wertvollste, was ich habe. Ich nehme sie auf den Arm und gehe zu Emma hinüber, wir küssen uns und sehen uns in die Augen. Liebe verströmt ihr Blick und spiegelt zugleich meine Liebe, die ich für sie empfinde, denn sie ist wahrhaftig die schönste Frau der Welt, und ich bin der glücklichste Mann …
Ein dunkler Schatten fällt über mich, der Schatten hat eine Pistole, und mit dem letzten Quäntchen Kraft, das mir geblieben ist, drücke ich auf den Knopf.
Und träume von nichts mehr.
59
Tina hörte die Explosion draußen auf dem Meer, nachdem sie bereits gut achthundert Meter hinter sich gebracht hatte. Und das, obwohl sie den Bootsmotor hatte kurzschließen müssen, weil der Schlüssel in Milnes Tasche steckte.
Als sie sich umwandte, sah sie einen hellen Blitz, der in den Nachthimmel schoss, dann ertönte eine zweite Explosion, deren Druckwellen sie sogar hier draußen noch spürte. Eine riesige Feuersbrunst hüllte die Landzunge ein, auf der Paul Wise’ Villa gestanden hatte. Dichter schwarzer Rauch schraubte sich gen Himmel.
Tinas erster Gedanke war pragmatisch. Auf der Insel lebten andere Menschen, die evakuiert werden mussten. Sie hatte noch ihr Handy und fummelte es aus der Tasche ihrer Shorts. Das Handy war ein Prepaid, also würde niemand den Anruf zu ihr zurückverfolgen können. Der Empfang war leidlich, und sie zermarterte sich das Gehirn, wen sie anrufen konnte. Dann fiel es ihr ein. Sie rief die Liste der bisherigen Gespräche auf, scrollte zur Nummer der Manila Post und drückte die grüne Taste.
Sobald sich jemand meldete, erklärte Tina, dass auf Verde Island eine radioaktiv verseuchte Bombe explodiert sei, und sagte, man solle Alan Cheesman im Büro des Verteidigungs-Attachés der amerikanischen Botschaft anrufen
und dort ihre Meldung vortragen. Dann legte sie auf, schaltete das Handy ab, warf es ins Meer und hielt auf die offene See zu. Sie hatte schon vor einer Ewigkeit gelernt, ihre Spuren zu verwischen.
Sie steuerte das Boot um die Spitze der Halbinsel und achtete dabei genau auf die Untiefen bei den Felsen, die Milne ihr gezeigt hatte. Dann beschleunigte sie und ließ – bemüht, die größtmögliche Distanz zwischen sich und Ground Zero zu bringen – die Südspitze hinter sich. Sie versuchte, nicht an den Mann zu denken, der ihr gerade das Leben gerettet hatte, und das von weiß Gott wie vielen Menschen noch dazu. Wenn sie jetzt ihren Gefühlen nachgab, würde sie zusammenbrechen. Denn als es darauf ankam, war Milne für sie da gewesen. Und es gab wenige Menschen in Tinas Leben, von denen sie das hätte sagen können.
Und nun war er tot.
Unwiederbringlich weg.
Wie die Euphorie, die ihre Abrechnung mit Wise ausgelöst hatte. Sie fühlte sich nur noch ausgelaugt, schockiert und einigermaßen deprimiert.
Sie atmete tief durch, wappnete sich gegen die Gefühle, die sie zu übermannen drohten, und nahm Kurs auf die hellen Lichter des Festlands.
Und dachte an zu Hause.
MANILA
Eine Woche später
»Bist du bereit?«, fragte Mike Bolt und streckte seinen Kopf in das Verhörzimmer.
»Die lassen mich gehen?«
»Glaub es oder nicht. Ja, die lassen dich gehen. Auch wenn ich jede Menge Strippen ziehen musste, das sag ich dir.«
Tina stand auf und griff sich ihre Tasche mit den letzten Habseligkeiten, die ihr von ihrer Reise nach Manila geblieben waren. »Danke, Mike, ich bin dir wirklich sehr dankbar.«
»Himmel, Tina«, sagte er und hielt ihr die Tür auf. »Du bist wirklich unfähig, irgendetwas vorschriftsgemäß zu machen, nicht? Die Art und Weise, wie du mit allem und jedem in Konflikt gerätst, hilft niemandem. Am allerwenigsten dir.«
»Ich wollte immer nur Gerechtigkeit«, entgegnete sie starrköpfig und folgte ihm durch den verlassenen Flur. Die Vorstellung, sich von Mike eine Strafpredigt wegen ihrer Fehler anhören zu müssen, war das Letzte, das sie jetzt gebrauchen konnte, obwohl sie zugeben musste, dass er in vielen Punkten recht hatte.
Mike sah sie scheel an. »Ich bin sicher, Dennis Milne hat das auch immer gesagt.«
Tina seufzte, ging aber nicht darauf ein. Sie wollte sich nicht provozieren lassen. Nicht jetzt noch. Eine ganze Woche lang hatte sie schon allen Versuchen widerstanden.
Nachdem sie von der Insel entkommen war, hatte sie es zurück zum Festland
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