Erlöst mich: Thriller (German Edition)
Schmerzen in ihren Händen fast unerträglich wurden, und selbst dann ließ sie nicht los, auch nicht, als seine Zunge blau geschwollen aus seinem Mund quoll, im Gegenteil, sie schüttelte seinen Kopf und knallte ihn ein ums andere Mal auf die Erde, als wollte sie versuchen, das Böse aus ihm herauszuschlagen.
Erst als sie auf den Steinplatten am Pool Schritte hörte, kam sie zu sich und wandte sich um. Sie sah, wie sich einer der Filipinos näherte, und merkte, dass sie wegmusste. Noch hatte er sie nicht entdeckt, aber das war nur noch eine Frage von Sekunden. Und da erinnerte sie sich auch wieder, dass Milne die Bombe hatte und sie möglicherweise zünden würde. Sie musste weg hier. Und zwar schnell.
Eben als sie aufsprang, entdeckte sie der Filipino und hob die Waffe. Doch Tina war schnell. Als er das Feuer eröffnete, war sie bereits über die Hollywoodschaukel hinweg und sprintete in den wärmenden Schutz des Waldes. Je schneller sie rannte, desto mehr erfasste sie die Euphorie. Sie hatte es getan. Paul Wise war tot, und sie würde lebend hier herauskommen. Am liebsten hätte sie laut aufgelacht.
Sie hatte gewonnen.
58
Und da sitze ich nun, gegen einen Stamm gelehnt, durch die Baumkronen kann ich ein paar Sterne erkennen. Als ich über die Balustrade kippte – vor, ich weiß nicht, fünf, zehn, fünfzehn Minuten –, stürzte ich einen steilen Abhang hinunter und überschlug mich. Irgendwie gelang es mir, bei Bewusstsein zu bleiben und den Koffer festzuhalten, bis ich gegen diesen Baum hier prallte. Ich presse den Koffer gegen die Brust, den Finger auf dem Auslöser, und wundere mich, dass ich das alles so lange durchgestanden habe.
Eine sich ausbreitende Kälte ergreift von mir Besitz, und ich kann kaum mehr etwas erkennen. Ich weiß, dass die Filipinos, die die Bombe kaufen wollten, nach mir suchen. Ich höre, wie sie durchs Gehölz streifen und sich mit wütenden, panischen Zurufen orientieren.
Sie kommen näher. Einer stolpert nicht weit rechts von mir über etwas. Ich verhalte mich still, will Tina so viel Zeit wie möglich geben, von hier wegzukommen. Ich hoffe, sie hat es geschafft. Und ich hoffe, sie hat Wise getötet. Ich glaube schon. Ich habe Vertrauen in sie. Sie ist eine ungewöhnliche, wunderbare Frau.
Wahrscheinlich die härteste, der ich je begegnet bin. Und ich bin einigen begegnet. Es war eine Freude und eine Ehre, sie kennenzulernen, auch wenn es nur für knapp
achtundvierzig Stunden war. Meine Gedanken bewegen sich von der Hoffnung auf ein langes, zurückgezogenes Dasein zum Bewusstsein meines unmittelbar bevorstehenden Todes.
Und dennoch spüre ich einen merkwürdigen Frieden in mir.
Ich hole tief Luft und versuche, meine Lage ein wenig zu verändern, damit ich bequemer gegen den Baum lehne. Aber mir fehlt die Kraft.
Bilde ich es mir nur ein, oder höre ich tatsächlich vom Ende der Bucht das Aufheulen des Bootsmotors? Ich hoffe, das bedeutet, dass Tina es geschafft hat. Sofort werde ich ruhiger.
Ich blicke auf mein Leben zurück. Meine Kindheit. Meine lange, oft frustrierende Karriere als Cop. Und dann der Abstieg in die Korruption, der mich letztlich an diesen Ort geführt hat, an dem ich einen einsamen Tod sterben werde.
Doch dann schiebe ich die negativen Gedanken beiseite und denke an Emma. Aber nicht an das, was hätte werden können, wären wir zusammengeblieben. Ich reise in der Zeit zurück, in mein achtzehntes Lebensjahr. Und träume.
Träume von einem anderen Leben. Einem, in dem ich nach meinem Einser-Abitur nicht Cop wurde, sondern die Universität besuchte und nach meinem Abschluss um die Welt reiste. An einem schönen Ort auf Emma traf, als sie eine junge Frau war. Einem Ort wie diesem hier. Hier auf den Philippinen oder auch in Thailand, wo wir so viel Zeit miteinander verbracht hatten. Ich träume, dass wir zusammen reisten. Herrliche Aussichten und Anblicke genossen, wunderbare Erfahrungen teilten. Hand in Hand auf Gipfeln
standen, im Kajak wilde Flüsse befuhren. Zusammen. Immer zusammen. Bis wir uns schließlich in den grünen Hügeln von Laos niederließen, wo wir unser Geschäft etablierten. Ich träume von den Kindern, die wir gehabt hätten, zwei, ein Junge und ein Mädchen. Jack und Rosie. Die Namen, die wir immer im Sinn hatten.
Ich träume, wie ich, nachdem ich ein paar Tage weg war, zurückkomme und den Weg zu unserem Haus hinausgehe. Emma steht in der Tür, ihr rotes Haar fällt auf ihre Schultern, sie trägt das weiße Kleid, das ich so sehr
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