Erlöst mich: Thriller (German Edition)
T-Shirt und Sonnenbrille stand, schaukelte in der Dünung. Der Mann nickte mir beiläufig zu, wortlos stieg ich die Treppe
hinunter und in das Boot, während er den Motor anwarf und ablegte.
Überall im Hafen ankerten Trauben von Booten, die teuersten nahe der Küste, während die einheimischen Dschunken in entfernte Ecken an der Hafenmauer verbannt waren. Deshalb überraschte es mich nicht, dass unsere Reise nur gute fünfzig Meter währte, ehe wir am Heck einer der elegantesten Yachten festmachten. Wenn es um seine Bequemlichkeit ging, zählte Bertie Schagel nicht zu denen, die knauserten.
Auf dem Deck erschien ein zweiter Westler, ebenfalls in T-Shirt und Sonnenbrille, ergriff das hochgeworfene Tau, während ich die Stufen hinaufging. Auf dem Fiberglas rutschte ich aus und wäre fast rücklings gestürzt, sodass er meinen Arm packen und mich festhalten musste. Ich nickte dankend und erkannte ihn wieder. Er war schon bei meiner letzten Begegnung mit Schagel in einem Singapurer Hotel dabei gewesen. Deshalb war es mir ein bisschen peinlich, für einen Augenblick meine coole Contenance verloren zu haben, auf die ich in solchen Situationen Wert lege.
Der Typ deutete zum Unterdeck, und mit einem letzten Blick auf die untergehende Sonne stieg ich durch die Tür in die klimatisierte Kühle und betrat schließlich einen schummrigen Raum, in dem ein sehr massiger Mann mit einem sehr massigen Schädel in einem riesigen ledernen Klubsessel thronte, der sich allerdings wie angegossen um seinen wabernden Fettbauch schmiegte. Bertie Schagel hatte sein dünn gewordenes graues Haar zurückgegelt, er trug einen schwarzen Anzug, darunter ein schwarzes Seidenhemd, aus dessen geöffnetem Kragen dichte drahtige Strähnen seiner Brustbehaarung hervorragten. In der einen Hand
hielt er ein überdimensionales Glas mit einer alkoholischen Flüssigkeit, in der anderen eine halb gerauchte kubanische Zigarre, wodurch er wirkte wie ein früh vergreister Meat Loaf, der sich in ein Gordon-Gekko-Kostüm gezwängt hatte.
»Ah, Dennis, schön, dass Sie es geschafft haben«, sagte er mit einem aufdringlichen Grinsen, wobei er sich allerdings nicht die Mühe machte, sich aus seinem Sessel zu erheben, was wahrscheinlich auch viel zu lange gedauert hätte. »Setzen Sie sich. Kann ich Ihnen einen Drink anbieten? Oder etwas anderes?«
Normalerweise hätte mich schon die Aussicht geschreckt, weil ich Geschäft und Vergnügen strikt trenne und keinen Augenblick mehr mit Schagel verbringe als absolut nötig. Doch der Flug von Bangkok hierher hatte mich weichgekocht, deshalb sagte ich, ich würde ein Bier trinken. »Singha, wenn Sie haben.«
»Wir haben alles«, entgegnete Schagel, ehe er sich halb umdrehte und jemandem eine Anweisung gab.
Sekunden später kam ein dunkelhäutiges Thai-Girl mit blond gebleichten Haaren herein und brachte mir das Bier. Sie konnte höchstens achtzehn sein, und damit war sie mindestens dreißig Jahre jünger als Schagel. Sie trug eng sitzende Hotpants aus Jeansstoff und ein noch enger sitzendes Oberteil mit Spaghetti-Trägern, das wie eine zweite Haut an ihrem jungenhaften Körper klebte. Als sie die Flasche auf einem mitgebrachten Untersetzer auf dem Beistelltisch aus Teakholz absetzte, beugte Schagel sich vor und klatschte ihr mit einem widerlich geilen Schielen so heftig auf den Hintern, dass es schmerzhaft knallte. Das Mädchen zuckte zusammen, ließ sich ansonsten aber nichts
anmerken und zog sich ohne ein Wort zu sagen oder meinem Blick zu begegnen zurück.
Es war eindeutig, dass Schagel sie zu meiner Unterhaltung demütigte. Er schien das zu genießen. Einmal, bei einem unserer anderen Treffen, hatte ich warten müssen, während er im angrenzenden Raum jemanden zusammenschrie. Ich habe nie erfahren, ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hatte, weil das Opfer nicht ein Wort entgegnete. Er beendete seine Tirade mit einer hörbaren Ohrfeige, ehe er zu mir ins Zimmer kam und mich mit seinem verschlagenen, wissenden Lächeln begrüßte. Ich schätzte das als seine Art ein, mich daran zu erinnern, dass er der Boss war, die vollständige Kontrolle besaß und ich oder sonst wer nichts dagegen tun konnte.
Nur einmal hatte ich mich über einen Befehl von ihm hinweggesetzt. Ich sollte in Kuala Lumpur eine ältere russische Hausfrau töten, offenbar im Auftrag ihres Gatten, der sich nicht den Mühen einer Scheidung unterziehen wollte. Der Mann musste offenbar reichlich angepisst gewesen sein, denn er verlangte,
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