Erlöst mich: Thriller (German Edition)
aufs Herz, um zu demonstrieren, dass er es aufrichtig meinte, und hoffte inständig, man würde ihm glauben.
Aber das war nicht der Fall. Der Killer lächelte ihn nur
an. »Ich glaube Ihnen kein bisschen, Mr. Penny. Und meinem Kunden geht es genauso. Ich fürchte, wenn Sie jetzt nicht die Briefe schreiben und tun, was ich Ihnen sage, dann werde ich meinen Mitarbeiter anweisen, Ihre Familie abzuschlachten. Werfen Sie noch einen Blick auf das Messer. Schauen Sie es sich genau an und stellen Sie sich vor, wie es die Kehlen Ihrer Frau und Ihrer Kinder aufschlitzt, während sie um Gnade flehen, wissend, dass niemand sie hören wird, weil Ihr nächster Nachbar über hundert Meter entfernt wohnt. Das ist der Nachteil, wenn man so schön abgeschieden wohnt, nicht wahr?«
Penny schüttelte frenetisch den Kopf. »Großer Gott«, schluchzte er, als ihm schließlich klar wurde, dass sein Leben gleich beendet sein würde. »Allmächtiger Herr.«
»Sie haben zehn Sekunden, sich zu entscheiden.«
Ehe er selbst Vater geworden war, hatte Penny immer über seine bereits mit Nachwuchs gesegneten Freunde gelacht, wenn die behaupteten, sie würden ohne zu zögern ihr Leben für das ihrer Kinder geben. Er war nie in der Lage gewesen, die Größe dieser Vorstellung zu erfassen. Jetzt hatte er zwei wunderhübsche Töchter und wusste mit absoluter Gewissheit, dass seine Freunde recht hatten. Offen gestanden, für Natalie wäre er nicht in den Tod gegangen. Ihre Ehe war längst zu einer lieblos dahinplätschernden Routine geworden. Auch für seine Geliebte wäre er nicht gestorben. Er war zwar verknallt in sie, vielleicht liebte er sie sogar, aber am Ende war er sich stets bewusst gewesen, dass es nicht ewig anhalten würde. Doch Ella und Amelie … da gab es keinen Zweifel. Er wusste, dass der Mann ihm gegenüber es todernst meinte, denn er wusste genau, wer dessen Kunde war und wozu dieses Monster fähig war.
Penny verfluchte sich dafür, jemals diese Sache angefasst zu haben, verfluchte sich dafür, dass es so einfach war, ihn auszuspionieren und in die Falle zu locken, und er verfluchte sich dafür, ein abgelegenes Cottage gekauft zu haben, wo man seine Familie massakrieren konnte, ohne dass eine Menschenseele etwas davon mitbekam. Er verfluchte sich für alles, obwohl es längst zu spät war, noch etwas zu ändern.
Dann starrte er in das bleiche Gesicht des Killers, suchte hinter der kalten, professionellen Miene nach einem Hauch Menschlichkeit und entdeckte keine.
»Wie können Sie bloß mit sich leben?«, fragte er mit einer letzten, instinktiven Aufwallung von Trotz.
Der Killer gestattete sich ein wissendes Lächeln. »Sehr viel besser, als Sie es sich vorzustellen vermögen.«
Dann holte er ein langes Seil aus seinem Aktenkoffer, und Penny wandte sich seinem Notebook zu und begann zu schreiben.
EINS
Das Beil wird geschwungen
1
Hongkong. Eine der modernen Städte des 21. Jahrhunderts, ein architektonisches Wunderwerk, das einen packt, sobald man den Flughafen verlassen hat und über die elegante, fast verkehrsfreie Autobahn gleitet, über gewaltige Brücken, die sich wie stählerne Skelette über eine blaugraue See strecken, die erfüllt ist von Dschunken und Frachtern, die in einen der großen natürlichen Häfen der Welt ein- und auslaufen. Sieben Millionen Menschen leben auf dieser winzigen bergigen Insel, und Teile davon sind noch immer vom selben subtropischen Grün überzogen, das hier bereits vor zehntausend, vielleicht sogar einer Million Jahren wuchs. Genauso birgt die Insel aber auch einen Wald aus Glas und Beton, zahllose Wolkenkratzer, die wie gegeneinander wetteifernd in den wabernden weißen Dunst ragen, der oft an den Berggipfeln klebt. Egal ob man große Städte mag oder nicht, von Hongkong wird man unweigerlich angezogen.
Ich persönlich mag große Städte nicht besonders. Ich habe fast zwanzig Jahre in London verbracht, und mein Bedarf an Metropolen ist für mehrere Leben gestillt. Heute wohne ich in der heißen, schläfrigen Stadt Luang Prabang in den Wäldern von Nord-Laos. Zwischen ihr und Hongkong liegen nur etwa tausend Kilometer Luftlinie, aber
gefühlt sind es hunderttausend, und deshalb empfinde ich Luang Prabang als unendlich viel angenehmer. Dennoch stieg auch in mir ein leises Gefühl von Ehrfurcht und Bewunderung auf, je näher das Taxi mich Hongkong und meinem Bestimmungsort brachte.
Ich war erst einmal dort gewesen, vor achtzehn Monaten, damals, um einen Mann zu töten – einen
Weitere Kostenlose Bücher