Erlösung
Zeit übers ganze Land verbreitet. Ich hab das Kennzeichen des Lieferwagens und könnte alles ziemlich genau beschreiben.«
Aber die Frau ihr gegenüber schüttelte den Kopf. Sie hätte gern zugestimmt, das war offensichtlich, wagte es aber nicht. »Ich hab vorhin gesagt, dass niemand von der Sache erfahren darf, und Sie haben es versprochen«, sagte sie. »Wir haben nur noch vier Stunden, bis die Banken schließen, und bis dahin müssen wir eine Million in bar besorgt haben. Wir können nicht länger hier rumsitzen.«
»Bitte hören Sie mir zu. Es dauert weniger als vier Stunden, um zu seinem Haus in Ferslev zu fahren, wenn wir sofort aufbrechen.«
Wieder schüttelte die Frau den Kopf. »Warum glauben Sie, dass er die Kinder dorthin gebracht hat? Das wäre doch das Dümmste, was er tun kann. Die Kinder können überall in Dänemark sein. Er kann sie sogar über die Grenze gebracht haben. Da unten kontrolliert doch keiner mehr. Begreifen Sie?«
Isabel nickte. »Ja, Sie haben recht.« Sie wandte sich an Joshua. »Haben Sie ein Handy? Ist das aufgeladen?«
Er zog ein Telefon aus der Tasche. »Ja, hier«, sagte er.
»Und Sie, Rachel, haben Sie auch eins?«
Die nickte nur.
»Und wenn wir uns nun aufteilen? Joshua versucht, das Geld zu beschaffen, und wir beide fahren nach Seeland. Jetzt gleich!«
Die Eheleute sahen sich einen Moment an. Dieses ungleiche Paar, das sie so gut verstehen konnte. Schließlich war sie selbst Mutter, und obwohl ihre Kinder längst mit beiden Beinen im Leben standen, wurde sie ihre Sorge um sie doch nie ganz los. Wie entsetzlich mochte es da sein, wenn man plötzlich eine Entscheidung treffen musste, von der das Leben seiner Kinder abhing?
»Uns fehlt eine Million«, sagte der Mann. »Die Firma ist sehr viel mehr wert, aber wir können nicht einfach zur Bank gehen und die dort bitten, uns auszuzahlen, schon gar nicht in bar. Vielleicht wäre das vor ein, zwei Jahren noch gegangen, als die Zeiten anders waren. Aber heute nicht. Deshalb müssen wir uns an unsere Gemeinde wenden. Das ist zwar riskant, aber dennoch die einzige Möglichkeit, an das Geld zu kommen.« Eindringlich sah er sie an. Er atmete unregelmäßig, hatte blaue Lippen. »Es sei denn, Sie können uns helfen. Und ich glaube, das können Sie, wenn Sie wollen.«
Hier sah Isabel zum ersten Mal den Menschen hinter dem Unternehmer, der dafür bekannt war, seine Firma tipptopp in Schuss zu halten, und der als einer der besten Steuerzahler Viborgs galt.
»Rufen Sie Ihre Vorgesetzten an«, fuhr er mit bedrückter Miene fort, »und bitten Sie sie, beim Finanzamt anzurufen. Sagen Sie, wir hätten fälschlicherweise eingezahlt und bräuchten das Geld dringend zurück. Können Sie das tun?«
Plötzlich hatte sie den Ball in der Hand.
Vor drei Stunden, als sie zur Arbeit gekommen war, hatte sie sich immer noch nicht wieder gefangen. Sie war gekränkt gewesen und übel gelaunt und hatte sich in Selbstmitleid gewälzt. Und jetzt? Jetzt schien dieser Gefühlszustand auf einmal Lichtjahre entfernt, denn in diesem Moment spürte sie die Kraft, alles erreichen zu können, was sie wollte. Und wenn es sie den Job kosten sollte. Oder noch mehr.
»Ich werde mich dafür einsetzen«, versprach sie. »Ich beeile mich, aber es kann trotzdem eine Weile dauern.«
26
»Ja, Laursen«, sagte Carl abschließend zu dem ehemaligen Polizeitechniker. »Nun wissen wir also, wer den Brief geschrieben hat.«
»Puh, was für eine schreckliche Geschichte.« Laursen atmete tief durch. »Du sagst, du hättest Sachen aus Poul Holts Besitz mitgebracht. Falls sich daran noch DN A-Spuren befinden, könnten wir überprüfen, ob es sich bei dem Blut, mit dem der Brief geschrieben wurde, um Pouls handelt. Wenigstens das. Und zusammen mit der Aussage des Bruders, dass er umgebracht wurde, hätten wir damit immerhin einen Anhaltspunkt für eine Anklage. Obwohl ein Fall ohne Leiche ja immer eine zweifelhafte Geschichte ist, das weißt du selbst. Na, und dann muss sich natürlich auch noch ein Verdächtiger finden.«
Laursen sah sich die durchsichtigen Plastikbeutel an, die Carl aus der Schublade holte.
»Poul Holts kleiner Bruder Tryggve hat ein paar von Pouls Sachen aufgehoben, die beiden standen sich sehr nahe. Tryggve hat die Sachen mitgenommen, als er zu Hause rausflog. Ich habe ihn überzeugt, sie uns zu überlassen.«
Laursen wickelte ein Taschentuch um seine Pranke und nahm Carl die Sachen ab.
»Die hier können wir nicht gebrauchen«, sagte er und legte
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