Erlösung
beruhigte sie, indem sie ihr versicherte, ihr sei vergeben. Dann nahm sie das Foto mit in die Küche und warf es auf den Küchentisch, ihrem reglos dasitzenden Mann vor die Nase.
»Hier, Joshua. Da ist dein Widersacher.« Sie deutete auf einen Kopf in der hintersten Reihe. Es war ihm gelungen, hinter den Davorstehenden gewissermaßen in Deckung zu gehen und nicht in die Kamera zu sehen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte er irgendwer sein.
»Morgen in aller Frühe gehst du zum Finanzamt und sagst, dass deine überpünktliche Steuernachzahlung ein Fehler gewesen sei. Dass wir das Geld unbedingt wiederhaben müssten, weil wir sonst Konkurs gingen. Hast du verstanden, Joshua? Morgen früh als Allererstes!«
Als sie Montagmorgen durchs Fenster sah, ging hinter der Kirche von Dollerup eben die Sonne auf. Lange, zitternde Strahlen im Morgendunst. Gottes Schöpfung in all ihrer Herrlichkeit. Wie konnte etwas so unendlich Schönes ihr gebieten, ein solches Kreuz zu tragen? Und wie konnte sie sich erlauben, eine solche Frage zu stellen? Die Wege Gottes waren unergründlich, das wusste sie doch.
Sie presste die Lippen zusammen, um das Weinen zu unterdrücken. Dann faltete sie die Hände und schloss die Augen.
Die ganze Nacht schon hatte Rachel gebetet, wie so oft in der Geborgenheit der Gemeinde. Aber dieses Mal wollte sich der Frieden nicht einstellen. Denn das war die Zeit der Prüfungen, Hiobs Schicksalsstunde. Der Schmerz schien ihr unermesslich.
Die Sonne war hinter einer Wolkendecke verschwunden, als Joshua sich auf den Weg zum Rathaus machte, um dort Unterstützungfür Kroghs Landmaschinenverleih zu finden und die Steuerzahlung vorerst zurückzubekommen. Da war Rachel mit ihren Kräften fast schon am Ende.
»Josef, du kannst heute nicht in die Schule, du musst dich um Miriam und Sarah kümmern«, hatte sie zu ihrem Ältesten gesagt. Sie selbst konnte die Mädchen heute nicht unterrichten, sie musste sich sammeln.
Mit Joshua hatte sie das weitere Vorgehen abgesprochen. Wenn er wieder zurück war – mochte Gott ihn nicht mit leeren Händen heimkommen lassen! –, sollte er den Scheck bei der Vestjysk Bank einzahlen und dort bitten, Teilbeträge auf ihre jeweiligen Konten zu überweisen, und zwar an Nordea, Danske Bank, Jyske Bank, Sparekassen Kronjylland, Arbejdernes Landsbank und Almindelig Brand Bank. Das würde dann einer Barauszahlung bei jeder Bank von etwa hundertfünfundsechzigtausend Kronen entsprechen, und das müsste ohne weitere Fragen möglich sein. Und falls einige der Geldinstitute neue Banknoten auszahlten, mussten sie die eben bearbeiten und zerknittern und dann unter die gebrauchten Scheine mischen.
Rachel reservierte Sitzplätze für den Intercity, der um 19.29 Uhr in Odense ankam, und für den anschließenden Schnellzug von Odense nach Kopenhagen. Dann wartete sie auf ihren Mann. Sie hatte ihn gegen zwölf, ein Uhr erwartet, aber er war schon um halb elf wieder da.
»Hast du das Geld, Joshua?«, bestürmte sie ihn, obwohl sie auf den ersten Blick sah, dass er es nicht hatte.
»Es hat nicht geklappt, Rachel. Ich wusste es von Anfang an.« Seine Stimme drohte zu versagen. »Die von der Kommune würden uns gern unterstützen, aber das Konto ist das des Finanzamts, und bei denen geht so was nicht so schnell. Es ist entsetzlich!«
»Aber du hast doch Druck gemacht, Joshua, oder? Du hast doch bestimmt Druck gemacht? Großer Gott, die Zeit läuftuns davon. Die Banken schließen um sechzehn Uhr.« Sie war völlig aufgelöst. »Was hast du ihnen erzählt? Sag schon!«
»Ich hab gesagt, ich bräuchte das Geld dringend. Es sei ein Fehler meinerseits gewesen, es überhaupt eingezahlt zu haben. Dass mein Computer Probleme macht und ich den Überblick verloren habe. Dass bei Überweisungen auf unsere Konten etwas schiefgelaufen sei und dass gleichzeitig Rechnungen in meinem System verschwunden seien, die ich nicht einkalkuliert hatte. Dann habe ich noch gesagt, dass mich ein paar Lieferanten heute gemahnt hätten und dass wir einige der wichtigsten verlieren würden, wenn ich nicht umgehend zahle. Dass die Lieferanten ihrerseits enorm unter Druck stünden, wegen der Finanzkrise, und dass sie gezwungen seien, ihre Erntemaschinen wieder abzuholen, um sie anderen Kunden anzubieten. Ich habe ihnen gesagt, dass ich meine Leasingvorteile verlieren und dass uns das viel Geld kosten würde. Dass der Zeitpunkt auch für uns kritisch sei.«
»O Gott, Joshua. War es nötig, das so kompliziert zu
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