Erlösung
machen? Warum denn das?«
»Das war das, was mir eingefallen ist.« Er ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und legte die leere Aktentasche auf den Tisch. »Ich bin auch fix und fertig, Rachel. Ich kann einfach nicht so klar denken wie sonst. Ich hab heute Nacht auch nicht geschlafen.«
»Mein Gott. Und was nun, was machen wir?«
»Wir müssen uns an unsere Gemeinde wenden, was sonst?«
Sie presste die Lippen zusammen und sah Magdalena und Samuel vor sich. Die armen unschuldigen Kinder, was hatten sie getan? Womit hatten sie diesen bitteren Kelch verdient?
Sie hatten sich versichert, dass ihr Gemeindepfarrer zu Hause war, hatten gerade die Mäntel angezogen und wollten eben zu ihm gehen, da klingelte es an der Haustür.
Wenn es nach Rachel gegangen wäre, hätten sie nicht geöffnet. Aber ihr Mann war zu konfus.
Sie kannten die Frau nicht, die mit einer Mappe in der Hand vor ihrer Tür stand. Und sie wollten auch nicht mit ihr sprechen.
»Isabel Jønsson. Ich komme von der Kommune«, sagte sie und trat auf den Flur.
Da wagte Rachel, Hoffnung zu schöpfen. Die Frau hatte bestimmt Papiere dabei, die sie unterschreiben sollten. Sie hatte doch noch alles ordnen können. Dann war ihr Mann also gar nicht so dumm gewesen.
»Kommen Sie herein. Wir setzen uns hier in die Küche«, sagte sie erleichtert.
»Ich sehe, Sie wollen gerade gehen. Ich muss Sie nicht jetzt stören. Ich kann morgen wiederkommen, wenn Ihnen das besser passt.«
Rachel merkte, wie sich die düsteren Wolken zusammenzogen, als sie sich an den Küchentisch setzten. Also war sie doch nicht hier, um ihnen bei der Wiederbeschaffung des Geldes zu helfen. Denn dann müsste sie doch wissen, wie eilig sie es hatten.
»Ich bin als ED V-Beauftragte in der Unternehmensberatungsgruppe tätig. Soweit ich meine Kollegen im Rathaus verstanden habe, gibt es ernste Probleme mit Ihrer ED V-Anlage . Deshalb hat man mich zu Ihnen geschickt.« Sie lächelte und gab ihnen ihre Visitenkarte.
Isabel Jønsson,ED V-Beauftragte , Kommune Viborg
stand da. Das war nun das Letzte, was sie im Augenblick brauchten.
»Wissen Sie was«, griff Rachel ein, da ihr Mann schwieg. »Das ist schrecklich nett von Ihnen, aber im Moment passt es nicht so gut, wir haben es sehr eilig.«
Sie hatte geglaubt, dass die Frau daraufhin aufstehen würde, aber stattdessen saß die da wie angenagelt und stierte vor sich hin. Wollte sie das Recht der Öffentlichkeit, sich einzumischen,mit aller Macht durchsetzen? Das durfte ja wohl nicht wahr sein!
Da stand Rachel auf und bedachte ihren Mann mit einem harten Blick. »Wir müssen jetzt los, Joshua, wir haben’s eilig.« Sie wandte sich der Frau zu. »Ja, wenn Sie uns bitte entschuldigen.«
Aber die Frau machte immer noch keine Anstalten, aufzustehen. Da fiel Rachel auf, wo die Frau hinstarrte. Sie hatte das Foto im Blick, das Sarah gefunden hatte. Das Foto, das seitdem auf dem Küchentisch gelegen und sie daran erinnert hatte, dass es in jeder Schar einen Judas geben konnte.
»Kennen Sie den Mann?«, fragte die Frau.
Sie sahen sie verwirrt an. »Welchen Mann?«, fragte Rachel.
»Den da.« Die Frau drückte einen Finger unter den Kopf des Mannes.
Rachel witterte Ungemach. Genau wie an jenem entsetzlichen Nachmittag im Dorf bei Baobli, als die Soldaten nach dem Weg gefragt hatten.
Der Tonfall, die Situation.
Nichts war, wie es sein sollte.
»Ich muss Sie jetzt bitten zu gehen«, wiederholte Rachel. »Wir haben es eilig.«
Aber die Frau rührte sich nicht von der Stelle. »Kennen Sie ihn?«, fragte sie nur.
Nun, so war es dann also. Noch ein Teufel war auf sie gehetzt worden. Noch ein Teufel in Gestalt eines Engels.
Händeringend stellte sich Rachel vor sie. »Glauben Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind? Glauben Sie, ich weiß nicht, dass das Schwein Sie geschickt hat? Und jetzt sitzen Sie hier nicht länger rum! Gehen Sie endlich! Sie wissen doch ganz genau, dass wir keine Zeit zu vergeuden haben.«
Da spürte sie plötzlich, wie es einen Ruck in ihr tat und alles in ihr zusammenbrach. Wie sie plötzlich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Wie Wut und Ohnmacht drohten,sie zu überwältigen. »Verschwinden Sie endlich!«, schrie sie mit geschlossenen Augen, die Fäuste vor der Brust geballt.
Da stand die Frau auf und trat ganz dicht neben sie. Nahm ihre Schultern und schüttelte sie sanft, bis sich ihre Blicke trafen. »Ich weiß zwar nicht, was hier los ist. Aber eines weiß ich: Wenn jemand diesen Mann hasst, dann
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