Erlösung
Raten schließlich darauf, dass dort ›Frederikssund Avis‹ steht. Und das ist eine Wochenzeitung, die gratis verteilt wird, habe ich rausgefunden.«
An dieser Stelle hatte er mit einem Begeisterungssturm Assads gerechnet. Aber der sagte gar nichts.
»Begreift ihr nicht? Damit ist das Gebiet doch gewaltig eingegrenzt, wenn wir davon ausgehen, dass dieses Stück Papier in einer Umgebung gelegen hat, wo man die Gratiszeitung im Briefkasten hat. Ohne diese Eingrenzung könnte das Bootshaus doch an jedem x-beliebigen Punkt der nordseeländischen Küste liegen. Wisst ihr eigentlich, wie viele Kilometer das sind?«
»Nein«, kam es einsilbig vom Rücksitz.
Carl wusste es auch nicht.
Da klingelte sein Handy. Er sah aufs Display und ihm wurde ganz warm.
»Mona.« Sein Tonfall war plötzlich ein völlig anderer. »Schön, dass du anrufst.«
Er spürte, wie Assad neben ihm sich anders hinsetzte. Vielleicht schöpfte er gerade Hoffnung, dass sein Chef doch noch nicht ganz verloren war.
Carl versuchte, sie für diesen Abend einzuladen, aber darauf ging sie nicht ein. Nein, dieses Mal sei ihr Anruf rein beruflicher Natur, sagte sie und lachte so perlend, dass Carls Puls sofort davongaloppierte. Sie habe im Moment Besuch von einem Kollegen und der würde sich in der Tat sehr gern mit Carl über seine Traumata unterhalten.
Carl runzelte die Stirn. Aha. Das würde er in der Tat gern? Was zum Teufel gingen Monas Kollegen seine Traumata an? Die hatte er sich doch mühsam für sie aufgehoben.
»Mir geht es ausgezeichnet, Mona. Das wird also nicht nötig sein«, sagte er und sah ihre warmen Augen vor sich.
Wieder lachte sie. »Ja, ja, wie ich hören kann, hat die gestrige Nacht deine Stimmung aufgehellt, aber vorher, Carl, daging’s dir nicht sonderlich gut, oder? Und ich kann dir ja nicht immer Rund-um-die-Uhr-Beistand bieten.«
Er schluckte. Allein schon bei dem Gedanken kam ihm das Zittern. Warum denn eigentlich nicht, wollte er sie fragen, riss sich aber am Riemen.
»Gut, dann machen wir das so.« Meine Liebste, hätte er beinahe hinzugefügt, entdeckte aber rechtzeitig Yrsas aufmerksame und entzückte Augen im Rückspiegel. Da besann er sich.
»Dein Kollege kann morgen gern kommen. Aber wir haben zu tun, er wird also nicht lange bleiben können, ja?«
Sie verabredeten nichts für ein Treffen zu Hause. Verdammter Mist!
Aber morgen dann. Hoffte er.
Er klappte das Handy zu und lächelte Assad gezwungen an. Beim Anblick morgens im Spiegel hatte er sich noch wie der reinste Don Juan gefühlt. Das Gefühl war verpufft.
»O Mona, Mona, Mona, wann kommt der Tag, an dem ich einfach deine Hand nehme? An dem wir einfach davonlaufen – wir beide?«, trällerte Yrsa auf dem Rücksitz.
Assad zuckte regelrecht zusammen. Hatte er sie noch nie singen hören? Na, das wurde aber Zeit. Ihre Singstimme war eine Nummer für sich.
»Das kannte ich noch nicht.« Assad drehte sich kurz zum Rücksitz um und nickte anerkennend. Dann verstummte er wieder.
Carl schüttelte den Kopf.
So eine Scheiße! Wenn Yrsa das mit Mona wusste, dann wussten es alle. Er hätte den Anruf einfach nicht annehmen sollen.
»Wer hätte das gedacht«, sagte Yrsa in dem Moment.
Carl sah in den Rückspiegel. »Wer hätte was gedacht?«, fragte er, bereit zum Gegenangriff.
»Frederikssund. Stell dir nur mal vor, dass der Kerl PoulHolt hier in der Nähe von Frederikssund ermordet hat.« Yrsa sah vor sich hin.
Puh, dachte Carl, die denkt schon nicht mehr an die Mona-Geschichte. Und ja, er wusste, was sie meinte. Frederikssund war nicht weit von dort, wo sie wohnte.
Das Böse kennt bei Städten keinen Unterschied.
»Hm, warum glaubst du eigentlich nicht, dass es weiter südlich war? Dort liest man die Zeitung doch sicher auch.«
»Da hast du recht. Oder jemand hat sie aus der Gegend um Frederikssund mitgenommen. Aber irgendwo müssen wir doch anfangen, oder? Und das hier wirkt logisch. Meinst du nicht auch, Assad?«
Sein Nachbar sagte nichts. Vermutlich war er schon seekrank.
»Hier.« Yrsa deutete auf den Bürgersteig. »Setz mich einfach hier ab.«
Carl sah auf das Navi. Nur noch ein kurzes Stück auf dem Byvej und dem Ejner Thygesens Vej, dann kam schon Sandalparken, wo sie wohnte. Warum dann hier anhalten?
»Wir sind doch gleich da. Das macht keine Mühe.«
Er merkte, dass sie am liebsten dankend abgelehnt hätte. Stattdessen druckste sie herum: Sie müsse noch einkaufen, aber na ja, das müsse sie dann wohl eben später tun.
»Ich komme einen
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