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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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kauerte wie eine in die Ecke gedrängte Maus in der Kajüte des Schiffes. In der knallroten Schwimmweste wirkte er total verloren. Wie ein nervöses Kind am ersten Schultag. Ohne jedes Vertrauen darauf, dass ihn der dicke alte Skipper, der Pfeife paffend am Ruder saß, vor dem sicheren Tod retten könnte, in den ihn die fünf Zentimeter hohen Wellen gewiss bald ziehen würden.
    Carl schaute auf die Karte in der Plastikhülle.
    »Anderthalb Stunden«, wiederholte Klaes Thomasen. »Und wonach suchen wir eigentlich genau?«
    »Nach einem Bootshaus, das wahrscheinlich weit abseits jeglicher Straßen liegt und das man, obschon es ins Wasser hinausragt, wohl selbst vom Fjord aus kaum erkennen kann. Ich dachte, dass wir zunächst mal von der Brücke in Frederikssund bis hinaus nach Kulhuse fahren. Glaubst du, wir kommen noch weiter?«
    Der pensionierte Polizist schob die Unterlippe vor und klemmte die Pfeife zwischen die Zähne. »Na ja, das hier ist kein Speedboot«, murmelte er. »Macht nur sieben Knoten in der Stunde. Kann mir vorstellen, dass unser Gast hier genau das zu schätzen weiß, oder, Assad? Geht’s dir gut, da drinnen?«
    Schon jetzt wirkte Assads dunkle Hautfarbe wie nach einer Behandlung mit Wasserstoffperoxid. Dabei waren sie gerade erst losgeschippert.
    »Sieben Knoten? Das entspricht etwa dreizehn Stundenkilometern, oder? Dann schaffen wir es ja nicht mal bis Kulhuse und zurück, ehe es dunkel wird. Ich hatte gehofft, wir könnten bis zur anderen Seite von Hornsherred kommen, vielleicht sogar bis nach Orø und zurück.«
    Thomasen schüttelte den Kopf. »Ich kann meine Frau bitten, uns in Dalby Huse auf der anderen Seite abzuholen, aberweiter kommen wir nicht. Und da fahren wir das letzte Stück auch schon im Halbdunkel.«
    »Und was wird dann aus dem Schiff?«
    Er zuckte die Achseln. »Tja. Wenn wir heute nicht finden, was wir suchen, kann ich morgen zum Spaß ja weiterfahren. Du weißt doch: Bei Gegenwind rostet ein alter Polizist nicht ein.«
    Den Spruch hatte er wohl selbst erfunden.
    »Da gibt es noch was, Klaes. Die beiden Brüder, die in dem Bootshaus festsaßen, haben ein tiefes Brummen gehört. Wie von einem Windrad oder etwas in der Art. Sagt dir das was?«
    Thomasen nahm die Pfeife aus dem Mund und sah Carl an. Seine Augen ähnelten denen eines englischen Schweißhundes. »Es hat viel Ärger gegeben wegen etwas, das hier in der Gegend ›niederfrequentes Brummen‹ genannt wird, das sind sogenannte Niederfrequenzwellen. Das könnte passen, denn die Diskussion reicht bis in die Mitte der Neunziger zurück.«
    »Und was genau ist darunter zu verstehen?«
    »Ja, eben genau so ein Brummen. Irgendein sehr tiefes und total nerviges Geräusch. Lange Zeit glaubte man, in dem Stahlwalzwerk in Frederiksværk den Sündenbock zu haben. Nur wurde das damals hinfällig, als das Werk eine Zeit lang geschlossen war, das Brummen aber blieb.«
    »Das Stahlwalzwerk. Liegt das nicht draußen auf einer Halbinsel?«
    »Doch ja, aber diese Niederfrequenzwellen werden noch sehr weit von ihrer Quelle entfernt registriert. Bis zu zwanzig Kilometer, behaupten manche. Jedenfalls gab es Klagen in Frederiksværk und Frederikssund und sogar in Jægerspris auf der anderen Seite des Fjords.«
    Die Regentropfen schienen auf der Wasserfläche zu hüpfen. Alles wirkte so friedlich. Segelboote, Scharen von Möwen, Häuser im Schutz von Büschen und Bäumen und fruchtbare Weiden und Felder. Und in dieser vom Wasser geprägten,idyllischen Landschaft unerklärliche tiefe Brummlaute. Hinter den Fassaden der hübschen Häuser lebten Menschen, die durchdrehten.
    »Wenn wir die Quelle des Geräusches und seine Reichweite nicht kennen, können wir damit überhaupt nichts anfangen«, sagte Carl. »Ich hatte vor, die Verbreitung der Windkrafträder hier in der Gegend zu prüfen, aber nun ist ja nicht klar, ob die dafür überhaupt in Frage kommen. Vieles deutet nämlich darauf hin, dass sämtliche Windräder an den entsprechenden Tagen stillstanden. Das wird echt schwierig.«
    »Sollten wir dann nicht einfach nach Hause fahren?«, kam es aus der Kajüte.
    Carl warf einen Blick auf Assad. War das der Mann, der sich prügelnd mit Samir Ghazi auf dem Boden gewälzt hatte? Der Türen mit einem Tritt öffnen konnte und Carl einmal das Leben gerettet hatte? Dann hatte sich für ihn in den letzten fünf Minuten viel verändert.
    »Musst du kotzen?«, fragte Thomasen.
    Assad schüttelte den Kopf. Das zeigte nur, wie wenig der Mann sich mit

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