Erlösung
gekannt.«
»Doch, hast du wohl. Du hattest ihn in einem anderen Fall als Zeugen verhört. Ich erinnere mich nicht mehr, in welchem, aber das hast du.«
»Da erinnerst du dich falsch, Hardy.« Carl schüttelte den Kopf. »Na, ist auch scheißegal. Ich bin hier wegen eines anderen Falls. Wollte nur mal sehen, wie’s dir geht. Ich soll von Assad grüßen, er ist auch hier.«
Hardy zog die Augenbrauen hoch. »Bevor du gehst, Carl, musst du mir etwas versprechen.«
»Na, erzähl erst mal, alter Knabe, dann werde ich sehen, was ich tun kann.«
Hardy schluckte mehrmals, ehe er damit rausrückte. »Lassmich wieder zu dir nach Hause kommen. Wenn du das nicht tust, dann sterbe ich.«
Carl sah ihm in die Augen. Wenn es einen Menschen gab, der durch pure Willenskraft seine eigene Himmelfahrt beschleunigen konnte, dann Hardy.
»Natürlich, Hardy«, sagte er.
Dann musste sich Vigga eben an ihren Turbanesen Gurkenmeier halten.
Als sie vor Aufgang drei warteten, öffneten sich die Aufzugtüren und heraus kam einer von Carls früheren Dozenten an der Polizeischule.
»Karsten!«, rief Carl und streckte ihm die Hand entgegen.
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ihn der andere wiedererkannte. »Carl Mørck! Na, du bist aber auch ein paar Jahre älter geworden!«
Carl lächelte. Karsten Jønsson. Noch eine dieser vielversprechenden Karrieren, die bei der Verkehrspolizei geendet hatten. Noch ein Mann, der wusste, wie man es vermied, sich im System aufzureiben.
Sie standen eine Weile zusammen und redeten über die gute alte Zeit und wie schwer es geworden war, Polizist zu sein. Dann gaben sie sich zum Abschied die Hand.
Auf irgendeine Weise pflanzte sich Karsten Jønssons Händedruck als Gefühl in seinem Körper fort, noch ehe sein Gehirn die Ursache registrieren konnte. Dieses Beunruhigende und Undefinierbare, das alles andere im System ausbremst. Erst dieses Gefühl und als Nächstes das Bewusstsein, das langsam heraufdämmert.
Dann war schlagartig alles da. Natürlich. Es passte zu gut, um Zufall zu sein.
Der Mann wirkt doch bedrückt, dachte Carl. Er ist aus dem Aufzug gekommen, der zur Intensivstation führt. Er heißt Jønsson. Natürlich hängt das zusammen!, dachte er.
»Sag mal, Karsten. Bist du wegen Isabel Jønsson hier?«
Er nickte. »Ja, das ist meine kleine Schwester. Hast du was mit ihr zu tun?« Er schüttelte verständnislos den Kopf. »Arbeitest du nicht im Dezernat A?«
»Nein, nicht mehr. Aber keine Sorge. Ich hab nur ein paar Fragen an sie.«
»Das dürfte schwierig werden. Ihr Unterkiefer wurde fixiert, und sie ist vollgestopft mit Medikamenten. Ich bin gerade bei ihr gewesen, sie hat kein Wort gesagt. Jetzt bin ich rausgeschickt worden, weil sie anscheinend auf eine andere Station verlegt wird. Ich soll eine halbe Stunde in der Cafeteria warten.«
»Okay. Aber ich glaube, wir wollen noch schnell vorher mit ihr reden. War nett, dich zu treffen, Karsten.«
Einer der anderen Aufzüge meldete seine Ankunft mit einem Klingelton und ein Mann im weißen Kittel trat heraus.
Er bedachte sie kurz mit einem düsteren Blick.
Dann fuhren sie mit dem Aufzug nach oben.
Carl war schon oft auf der Station gewesen. Nicht selten landeten Menschen dort, die das Pech hatten, den Weg irgendeines bewaffneten Idioten zu kreuzen.
Ganz klar: Die Leute, die dort arbeiteten, verstanden etwas von ihrem Beruf. Falls mal etwas richtig schiefgehen sollte, war das vielleicht der Ort auf der Welt, wo Carl am liebsten hingeraten wollte.
Er und Assad öffneten die Flügeltür und standen in einem Gewimmel von Krankenhauspersonal. Unverkennbar herrschte gerade eine Notsituation. Offensichtlich kein guter Zeitpunkt, um hier hereinzuplatzen.
Carl zeigte seine Dienstmarke an der Theke und stellte Assad vor. »Wir sind gekommen, um Isabel Jønsson ein paar Fragen zu stellen. Ich fürchte, es ist sehr dringend.«
»Und ich fürchte, das lässt sich im Augenblick nicht machen.Lisa Karin Krogh, die mit Isabel auf einem Zimmer lag, ist gerade verstorben, und Isabel geht es auch nicht gut. Außerdem hatten wir einen Überfall auf eine Krankenschwester. Vielleicht von demselben Mann, der offensichtlich gerade versucht hat, die beiden Frauen umzubringen. Aber das wissen wir noch nicht. Die Schwester ist noch nicht wieder bei Bewusstsein.«
42
Während der halben Stunde, die sie im Aufenthaltsraum saßen, stand die Intensivstation buchstäblich Kopf.
Schließlich hielt es Carl nicht mehr aus.
»Du bleibst hier und behältst
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