Erlösung
und dem langweiligsten Essen.
»Ach du liebe Güte«, sagte er. »Dann wohnen sie womöglich ganz da oben, wo die Rentiere frei herumlaufen? Luleå oder Kebnekaise oder so was?«
»Hallabro. Der Ort heißt Hallabro und liegt in Blekinge. Das sind etwa zweihundertfünfzig Kilometer von hier.«
Zweihundertfünfzig Kilometer. Leider ziemlich leicht machbar. Ade Wochenende.
Carl wand sich. »Na gut. Obwohl es doch eh immer das Gleiche ist: Wenn man kommt, sind sie nicht zu Hause. Und wenn man vorher anruft, sind sie trotzdem nicht zu Hause. Und wenn sie doch zu Hause sind, reden sie bestimmt schwedisch, und wer um Himmels willen versteht das, wenn er aus Jütland kommt?«
Assad kniff die Augen zusammen. Das waren für seinen Geschmack ein oder zwei Aussagen zu viel auf einmal. »Ich hab angerufen. Sie waren zu Hause.«
»Was? Das hast du? Na, dann sind sie garantiert morgen nicht zu Hause.«
»Doch. Ich hab nämlich nicht gesagt, wer ich bin. Ich hab sofort wieder aufgeknallt.«
Wahrhaftig ein Duo mit Sinn für Geräuscheffekte, seine zwei Kollegen.
Carl schleppte sich in sein Büro und rief Morten an, um ihn kurz und bündig zu instruieren, was er tun sollte, falls Vigga in seiner Abwesenheit auftauchte. Wer konnte schon wissen, was der alles einfiel.
Anschließend gab er Assad Instruktionen zu den weiteren Ermittlungen in der Brandsache und bat ihn, Yrsa zu erklären, was sie weiter prüfen sollte. »Gib ihr eine solide Liste der religiösen Sekten, von der sie ausgehen kann. Und lauf hoch zu Laursen und bitte ihn, in der Rechtsmedizin anzurufen. Die sollen bei der DN A-Analyse mal ein bisschen Tempo machen. Würdest du das bitte tun?«
Dann steckte er seine Dienstpistole in die Tasche. Bei diesen Schweden wusste man nie.
Jedenfalls nicht, wenn sie ursprünglich aus Dänemark kamen.
15
In der darauffolgenden Nacht sorgte er dafür, dass seine Gastgeberin und vorübergehende Geliebte immer haarscharf vor dem Orgasmus blieb. Genau in den Sekunden, bevor sie endgültig den Kopf in den Nacken legte und bis tief ins Zwerchfell atmete, zog er seine Finger geschickt aus ihrem Schoß und ließ sie in dieser knisternden Hochspannung einfach liegen.
Er stand schnell auf und ließ Isabel Jønsson allein mit der Entscheidung, wie die Spannung am besten zu entladen sei. Sie sah verwirrt aus, aber das war der Sinn der Sache.
Über ihrem kleinen Reihenhaus schoben sich immer wieder dunkle Wolken vor den hellen Mond. Er stand nackt auf der Terrasse, rauchte und beobachtete das Schauspiel am Himmel.
Die folgenden Stunden würden nach dem ihm wohlbekannten Muster ablaufen.
Erst Streit. Dann würde die Geliebte eine Erklärung fordern, warum Schluss war und warum gerade jetzt. Sie würde flehen und schimpfen und wieder flehen, und er würde antworten, und anschließend würde sie ihn auffordern, seine Sachen zu packen. Und dann wäre er aus ihrem Leben verschwunden.
Um zehn Uhr am nächsten Vormittag würde er mit den Kindern neben sich auf den Beifahrersitzen in Dollerup losfahren. Und wenn sie sich wunderten, warum er zu früh abbog, würde er sie betäuben. Er wusste ganz genau, wo das ungestört passieren konnte, das hatte er bereits ausgekundschaftet. An einer Stelle zwischen dichten Bäumen, die den Wagen während der wenigen Minuten verbergen würden, die er bräuchte, um die Kinder zu neutralisieren und die Körper in den Laderaum zu packen.
Viereinhalb Stunden, nachdem das geschehen war, inklusive eines Besuchs zum Mittagessen bei seiner Schwester auf Fünen, würde er das Bootshaus oben bei Jægerspris im Waldgebiet Nordskoven erreichen. Das war der Plan. Nur zwanzig Schritte durchs Gebüsch bis zu dem niedrigen Raum mit den Ketten. Zwanzig Schritte mit den beiden gebückten Gestalten vor sich.
Wie oft hatte er auf diesem kurzen Weg schon inbrünstiges Flehen um Gnade gehört. Das würde auch dieses Mal nicht anders sein.
Erst anschließend konnten die Verhandlungen mit den Eltern beginnen.
Er nahm einen letzten tiefen Zug, dann trat er die Zigarette auf dem kleinen Rasenstück aus. Vor ihm lagen eine anstrengende Nacht und ein anstrengender Tag.
Den üblen Verdacht, dass womöglich zu Hause irgendetwas los war, das sein ganzes Leben auf den Kopf stellen konnte, musste er jetzt erst mal verdrängen. Falls seine Frau ihm untreu war, war das für sie selbst am schlimmsten.
Er hörte die Verandatür knarzen und drehte sich um. Isabel sah verwirrt aus und zitterte. Sie war nackt, der Morgenmantel bedeckte
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