Erlösung
sie nur notdürftig. In ein paar Sekunden würde er ihr sagen, es sei aus, weil sie zu alt sei, aber das war sie bei weitem nicht. Ihr Körper war pikant und verlockend und konnte direkt ein bisschen süchtig machen. In vieler Hinsicht war es schade, dass ihre Beziehung ein Ende haben musste, aber das hatte er schon oft gedacht.
»Was stehst du ohne einen Faden am Leib hier draußen? Es ist eiskalt.« Sie neigte den Kopf zur Seite, sah ihn aber nicht an. »Was ist hier eigentlich gerade los, kannst du mir das mal sagen?«
Er stellte sich vor sie und packte den Kragen ihres Morgenmantels. »Du bist zu alt für mich«, sagte er kalt und zog den Kragen dabei um ihren Hals zusammen.
Einen Augenblick schien sie wie gelähmt zu sein. Bereit, ihre Wut und Frustration herauszuschreien oder auf ihn loszugehen. Die Flüche standen Schlange auf ihrer Zunge. Aber er wusste, sie würde schweigen. Nette geschiedene städtische Angestellte – solche Frauen machten keine Szene, wenn ein nackter Mann vor ihnen auf ihrer Terrasse stand.
Die Leute würden sich Gedanken machen. Das wussten sie beide.
Als er früh am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie seine Sachen bereits zusammengesammelt und in die Tasche geworfen. Keinerlei Zeichen von Morgenkaffee, nur eine Sammlung geordnet vorgebrachter Fragen, die davon zeugten, dass sie noch nicht am Boden zerstört war.
»Du bist an meinem Computer gewesen«, sagte sie beherrscht, obschon gefährlich weiß im Gesicht. »Du hast Informationen über meinen Bruder gesucht. Du hast mehr als fünfzig elefantengroße Abdrücke in meinen Daten hinterlassen. Hättest du dir nicht besser mal die Mühe machen sollen herauszufinden, worin meine tägliche Arbeit in der Kommunalverwaltung eigentlich besteht? War es nicht gleichermaßen dumm und respektlos von dir, das nicht zu tun?«
Derweil dachte er, dass er hier unter die Dusche müsse, egal was sie sagte. Dass die Eltern in Dollerup einem unrasierten, nach Sexsekreten stinkenden Mann ihre Kinder nicht überlassen würden.
Erst ihre nächsten Sätze alarmierten alle seine Sinne.
»Ich bin bei der Stadt Viborg als ED V-Beauftragte angestellt. Befasse mich mit Datensicherheit und Computerlösungen. Deshalb weiß ich natürlich, was du getan hast. Ein Kinderspiel für mich, die Logdatei meines eigenen Notebooks zu lesen. Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
Sie sah ihm direkt in die Augen. Vollkommen ruhig. Sie hatte die erste Krise überwunden. Sie hatte Trümpfe, die siemeterhoch über Selbstmitleid, Tränen und Hysterie erhoben.
»Du hast meine Passwörter unter der Schreibunterlage gefunden«, sagte sie. »Aber nur, weil ich sie absichtlich dort hingelegt habe. Ich hatte dich schon in den ersten Tagen durchschaut, deshalb wollte ich sehen, was dir noch so einfallen würde. Bei Männern, die so wenig von sich selbst erzählen, ist immer etwas faul. Da wird man hellhörig, denn normalerweise lieben Männer es, von sich selbst zu reden. Aber das hast du vielleicht gar nicht gewusst?« Sie lächelte etwas, als sie merkte, wie aufmerksam er geworden war. »Warum wirft dieser Mann so gar nicht mit Fakten über sich selbst um sich?, habe ich mich gefragt. Da wurde ich, ehrlich gesagt, neugierig.«
Er zog die Augenbrauen zusammen. »Und jetzt glaubst du, du wüsstest alles über mich, weil ich über meine privaten Verhältnisse geschwiegen habe und neugierig auf deine war?«
»Neugierig, ja, das kann man wohl so sagen. Ich kann ja noch verstehen, dass dich mein Profil beim Internetdating interessiert hat. Aber was, bitte schön, wolltest du über meinen Bruder rausfinden?«
»Ich hab geglaubt, das sei dein Ex. Vielleicht wollte ich einfach wissen, was bei euch schiefgelaufen ist.«
Das schluckte sie nicht. Seine Beweggründe waren ihr egal. Er hatte einen Riesenfehler begangen, daran gab es nichts zu deuteln.
»Zu deinen Gunsten muss ich allerdings sagen, dass du immerhin mein Konto nicht leer geräumt hast«, sagte sie dann.
Sie hatte jetzt eindeutig Oberwasser. Trotzdem versuchte er, nachsichtig zu lächeln und damit seinen Abgang zur Dusche einzuleiten. Doch daraus wurde nichts.
»Aber weißt du was«, fuhr sie fort. »Wir nehmen uns nichts. Ich hab nämlich auch in deinen Sachen gewühlt. Und was hab ich in deinen Taschen gefunden? Nichts. Keinen Führerschein, keine Krankenversicherungskarte, keinen Geldbeutel, keineAutoschlüssel. Aber weißt du was, mein Lieber? Genauso todsicher, wie Frauen ihre Passwörter immer völlig
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