Erlösung
Streich? „Wie bitte, Sir?“ Ich musste auf Nummer sicher gehen.
„Die Ausnahme von der Regel“, warf Lucas ein und er sah Aribo von der Seite an.
„Das ist ein Angebot, welches wir noch nie vergeben haben, deswegen bitte ich dich, in Ruhe darüber nachzudenken, bevor du uns eine Antwort gibst.“ Das Oberhaupt lehnte sich wieder zurück und er verzog keine Miene. Der Ausdruck war wieder so nichtssagend und undurchsichtig wie zuvor.
„Ich soll ein vollwertiges Mitglied der Ältesten werden?“ Die Worte waren weniger als ein Flüstern auf meinen Lippen, da ich sie eigentlich bloß zu mir selbst sagen wollte, um die Bedeutung tatsächlich erfassen zu können. Aribo nickte mir allerdings zu; also hatte er mich gehört.
Unfassbar! Da fehlte selbst meiner inneren Stimme der passende Kommentar. „Natürlich, ich denke darüber nach“, brachte ich etwas schwerfällig hervor.
„Ihr solltet das vielleicht gemeinsam besprechen“, riet Sophie, die sich wieder zu Lucas gesellt hatte. „Es ist eine Entscheidung, die man besser zu zweit treffen sollte“, sie strich ihrem Mann zärtlich durchs Haar, „zumindest, wenn man die Gelegenheit dazu hat.“
„Das kann den einen oder anderen Zwist auf jeden Fall vermeiden.“ Lucas nahm Sophies andere Hand und küsste sanft jeden einzelnen Finger.
„Ach und eins noch,“ entgegnete Aribo deutlich, „auch wenn ich denke, dass es nicht unbedingt erwähnenswert ist, möchte ich dennoch anmerken, falls du unser Angebot ausschlagen solltest, dann hat dies selbstverständlich keinen Einfluss auf dein Erbe.“
„Erbe?“, wiederholte ich fragend.
„Alles, was Vincent dir hinterlassen hat.“
„Verzeiht, Sir, aber ich weiß nicht, wovon ihr sprecht.“ War das hier noch Realität oder halluzinierte ich gerade? Ich hatte das Gefühl, als würde ich tief und fest schlafen und von faszinierenden Dingen träumen, letztendlich wusste ich es aber besser. So etwas konnte nicht möglich sein. Oder? Nein, Vampire schliefen schließlich nicht.
„Was sein war, gehört nun dir. Immobilien, Aktien, Geld…“ Er runzelte die Stirn. „War dir das etwa nicht klar?“ Aribo schien nicht zu glauben, dass ich davon noch nichts wusste. Ich konnte nur stumm den Kopf schütteln.
Er faltete ruhig die Hände und fuhr fort: „Nun, ich hatte gedacht, dass er etwas gesagt hat oder es dir zumindest in einem Brief geschildert hat. Hm, wie dem auch sei. Das ist sein letzter Wille gewesen, daran besteht kein Zweifel. Wir hatten darüber gesprochen und er hat sich um alles gekümmert und bereits in die Wege geleitet. Seinen Angestellten bleibt ihr Arbeitsplatz selbstverständlich sicher, sofern du sie weiterhin benötigst. Andernfalls würde sich einer von uns ihrer annehmen.“ Er deutete auf die Mitglieder in der Runde. Es dauerte einen Moment, ehe seine Worte und deren Bedeutung meinen Geist vollständig erreichten und ich wirklich verstand, was er da gerade eben gesagt hatte.
„Was ist mit Peter“, wollte ich wissen. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet sofort an ihn denken musste.
„Peter Doutéy hat seinen Anteil verspielt“, antwortete das Oberhaupt ungerührt. „Seine Sinneswandlung kam leider zu spät. Er hat sich im letzten Augenblick zwar für die richtige Seite entschieden und bestimmt auch hier gut gekämpft“, Aribo sah zur Seite und ein Ratsmitglied nickte anerkennend. „Die Vergehen sind jedoch zu schwer als das man alles vergessen könnte. Er durfte gehen, das ist unseres Erachtens schon Gnade genug.“ Das Oberhaupt machte eine geringschätzige Handbewegung. „Zudem ist er so schnell verschwunden, dass ich nicht glaube, er würde überhaupt noch irgendetwas anderes erwarten. Womöglich ist es ihm ohnehin gleich.“ Die Schärfe seiner Worte wurde etwas milder. „Oder vielleicht weiß er auch nicht einmal, dass sein Schöpfer nicht mehr existiert.“
Ich war mir ziemlich sicher, dass er es wusste, obwohl ich keine Ahnung hatte, was er dabei empfand. Unser letztes Treffen war ganz anders verlaufen als ich es geplant hatte. Und bei Lesley hatte er anscheinend wiederum eine andere Seite seiner multiplen Persönlichkeit präsentiert.
„Gut“, unterbrach ich meinen inneren Monolog. Ich musste das Ganze erst einmal verdauen. „Bis wann muss ich mich entscheiden?“ Liz starrte mich plötzlich an, doch ich wagte es irgendwie nicht ihren Blick zu erwidern, stattdessen drückte ich nur sanft ihre Hand.
„Solange es eben dauern mag.“ Aribos Geduld ließ mich fast
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