Erloschen
unwahrscheinlich vor. Sie sollen Wasser und Abwasser von A nach B bringen, nicht herumwirbeln.«
Maggie atmete tief ein. Genau das hatte sie auch gedacht. »Ich habe gehört, wie unser Mann vor mir lief, und bin ihm nach. Und dann habe ich jemanden hinter mir gehört.«
»Er könnte weiter hinten wieder nach oben geklettert sein. Nur – wieso geht er wieder nach unten? Das klingt nicht nach jemandem, der Angst hat und flieht.«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Und was denkst du, wer es war?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß lediglich, dass ich ausnahmsweise richtig froh war, Racines wütende Stimme zu hören.«
Das brachte Tully zum Lächeln. »Wie geht es dir?«
»Mir tut der Nacken weh.« Unwillkürlich griff sie nach hinten und vergewisserte sich, dass die Wundnaht noch intakt war. »Kannst du mit deiner Schulter fahren?«
Nun erlaubte er sich, das Gesicht zu verziehen. »Ich fürchte, ich habe sie mir ausgekugelt. Kannst du die wieder einrenken?«
Es war lange her, dass sie zusammengearbeitet hatten. Maggie hatte schon vergessen, wie es war, wenn einem jemand anders Rückendeckung gab. Jemand, der hoffte, dass sie dasselbe für ihn tat.
»Ja, kann ich. Dazu musst du dich allerdings irgendwo hinsetzen. Du bist viel zu groß für mich.« Was sie nicht sagte, war, dass er ohnmächtig werden könnte. »Es wird höllisch wehtun.«
»Tut es jetzt auch schon.« Er ging neben ihr her. »Sag Gwen nichts davon, okay?«
Maggie lächelte. Normalerweise war sie es, die ihn bat, Gwen nichts zu sagen.
27
Sam hasste es, mit Jeffery herumzufahren. So penibel der Mann mit seinem eigenen Äußeren sein mochte, sein Wagen war ihm herzlich egal. Ehe Sam einsteigen konnte, musste sie einen Zeitungsstapel, mehrere leere Pappbe cher und eine große Dose mit der Aufschrift »Swimmingpool-Reiniger« vom Beifahrersitz und aus dem Fuß raum davor räumen. Eklig, dachte sie, während sie kopfschüt telnd den Sitz einstellte. Jeffery hatte nicht mal einen Swimmingpool.
Natürlich bekam er nichts davon mit. Er war voll und ganz auf das Interview fixiert, rauschte durch die Sicherheitssperren und zuckte bei der Kofferraumkontrolle, dem ausführlichen Abklopfen und -tasten oder den anzüglichen Bemerkungen des Wärters nicht mal mit der Wimper.
Bei jedem einzelnen Interview Jefferys war Sam dabei und ließ die Leibesvisitationen über sich ergehen, die mit jedem Mal unangenehmer zu werden schienen. Mehr jedoch machte ihr zu schaffen, wie sie mit ihrer Kamera ausrüstung umgingen und absichtlich ihre Linsen mit ihren Fingerabdrücken verschmierten. Einmal hatte sich ein Sicherheitsmann sogar seine Hand abgeleckt, be vor er sie auf den Sucher drückte. Es war ihre Art, zum Ausdruck zu bringen, dass sie etwas gegen Presseleute hatten.
Jeffery tat es sofort ab, als Sam ihm von den Schikanen erzählte. Er zog gerade mal eine Braue hoch, als sie ihm das benutzte Kondom zeigte, das sie nach einem Besuch in ihrer Kameratasche gefunden hatte. Natürlich konnte er es einfach abtun. Er war ja der bekannte Fernsehmensch, der sie alle bezirzte und ihnen erzählte, wie ungeheuer wichtig sie waren, ihnen manchmal anbot, Interviews mit ihnen zu machen. Das konnte er auch bedenkenlos versprechen, denn er wusste, dass die Gefängnisvorschriften das gar nicht zuließen. Trotzdem fühlten sich die Wärter geschmeichelt. Der Anstaltsleiter hingegen war eine härtere Nuss.
Diesmal mussten sie gehörig buckeln – nicht unbe dingt eine kluge Wortwahl im Gefängnis –, aber sie hatten hart gearbeitet, um an diese Interviewtermine zu kommen. Und bei jedem einzelnen Schritt hatte der Aufseher ihnen so viele Hindernisse in den Weg gelegt, wie er irgend konnte.
Jeffery war eingeladen oder vielmehr von einem der Insassen »herzitiert« worden. Jefferys schwammiger Erklärung nach schrieb ihm ein Brandstifter namens Otis P. Dodd seit drei Wochen Briefe und bestand darauf, dass Jeffery mit ihm redete und er allein ihm Einzelheiten zu seinen Taten verraten würde. Es sollte sozusagen eine Dokumentation seines enormen Fachwissens sein.
Sam verstand, warum Jeffery ihn hingehalten hatte. Alle anderen, die sie bisher interviewt hatten, waren Mörder gewesen. Der arme Otis P., wie er genannt werden wollte, konnte kein einziges Todesopfer vorweisen, obwohl er an die siebenunddreißig Brände in Virginia gelegt hatte. Und er hatte es durchaus versucht. Sein letztes Feuer hatte er in einem Seniorenzentrum gelegt, aus dem es die drei undzwanzig alten
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