Erloschen
sie ist. Alles bis auf die orangen Strümpfe. Er wollte, dass sie die anbehält, und er hat mir auch gesagt, warum, aber das hab ich vergessen. Danach hat er sie in ein Kanalrohr gestopft.«
Zum ersten Mal sah Otis P. weg, hinauf zur Decke, als überlegte er, ob er etwas vergessen hatte.
»Zuerst hab ich gedacht, na, der Kerl ist total durchgeknallt, oder? Aber er war nicht gerade trinkfest, und wir hatten ein paar Whiskeys. Mein Daddy war auch kein Säufer, und einige von seinen irrsten Geschichten hat er mir erzählt, wenn er ein paar Gläser gekippt hatte.«
Er verlagerte seine Position auf dem Stuhl und sah von Jeffery zu Sam und wieder zurück zu Jeffery. Er hatte nicht mehr zu sagen, und jetzt sah er aus, als wartete er auf Lob.
»Wie sah er aus?«, fragte Jeffery.
»Na, weiß nicht.« Otis P. zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Wieder benetzte er sich die Lippen. Sam erkannte, dass es eine nervöse Angewohnheit war und nicht anzüglich gemeint, wie sie zuvor gedacht hatte. »Für mich sah der wie ein ganz normaler Typ aus.«
Und das war alles, was sie von ihm erfuhren. Hier ging es nicht um den anderen, sondern um Otis P., der in die Medien wollte. Er hatte nicht vor, seinen Moment im Scheinwerferlicht mit jemandem zu teilen, nicht mal mit dem Mörder, von dem er erzählte.
»Ich kann euch zeigen, wo sie ist.«
»Wie kommen Sie darauf, dass sie noch da ist?«
»Oh, das ist sie.«
»Wie lange sind Sie schon hier drin? Fast ein Jahr?«
Nicken. Die Zungenspitze lugte aus dem Mundwinkel und glitt wieder zurück.
»Was macht Sie so sicher, dass die Leiche noch da ist, wo er sie angeblich abgelegt hat?«
»Oh, die ist noch da. Keiner hat sie gefunden.«
»Wie können Sie sich da sicher sein?«
»Ich hab aufgepasst.« Noch ein Schulterzucken. »Ich weiß, dass sie noch da ist. Das wär doch was, oder? Brin gen Sie eine Kamera mit?« Er wartete, bis Jeffery klar wurde, worüber er da redete. »Sagen Sie mir Bescheid. Ich bring Sie hin.«
Das war alles. Mehr wollte er ihnen nicht sagen.
Es war dunkel, als sie zum Wagen zurückgingen. Auf dem Weg durch die Gänge und die Sicherheitstore hatten beide geschwiegen.
Erst jetzt, nachdem sich das letzte Tor hinter ihnen geschlossen hatte und sie im Freien waren, wo sie niemand belauschen konnte, fragte Sam: »Was hältst du davon?«
»Er will einen Gratisausflug.«
Seinem Tonfall nach hatte Jeffery die Sache bereits abgeschrieben, was Sam wunderte. Eigentlich war es genau die Art Sensation, die er mochte. »Glaubst du ihm nicht?«
»Wenn es um Brandstiftung geht, glaube ich, dass Otis P. Dodd jede nur erdenkliche Methode kennt, und in seinen Briefen beschreibt er sie auch. Aber das hier?« Er winkte ab. »Das ist Blödsinn. Ich dachte, er gibt mir was, das ich bei den Lagerhausbränden benutzen kann. Ich verhelfe ihm ganz sicher nicht zur Flucht oder, schlim mer noch, mache einen auf Geraldo Rivera, indem ich mich live zu einer leeren Gruft führen lasse.«
»Und was ist mit der Frau mit den orangenen Strümpfen?«
»Falls sie je existiert hat, ist sie seit über einem Jahr tot. Wir können ihr sowieso nicht mehr helfen.«
29
Patrick war den ganzen Nachmittag in der Gegend herumgelaufen. Er war von Tür zu Tür gegangen, hatte sogar den Idioten kennengelernt, der wieder mal drohte, er würde Jake erschießen, sollte er sich auf seinem Grundstück blicken lassen.
»Wäre es nicht einfacher, Sie rufen mich an?«, hatte Patrick ihn gefragt.
»Das hat ja wohl nach dem dritten oder vierten Mal wenig Zweck, nicht? Meine Lösung hält die Töle dauerhaft von meinem Grund und Boden fern.«
Nach diesem Gespräch war Patrick zurückgegangen, hatte Harvey an die Leine genommen und war mit ihm losgezogen, um noch einmal die gesamte Nachbarschaft abzusuchen. Er sah auch in dem leeren Haus neben Mag gies nach, das zum Verkauf stand, guckte sich im Garten um und durch die Fenster, als er ein Licht bemerkte. Natürlich: Die Lampen waren über einen Timer gesteuert, weil die Leute leer stehende Häuser nur ungern unbeleuchtet ließen. Dass jedes Licht eine Feuergefahr dar stellte, bedachte keiner.
Drei Stunden später war es dunkel, und immer noch keine Spur von Jake.
Bei der Vorstellung, dass er es Maggie erzählen musste, wurde es Patrick schlecht. Sie war so nett, ihn bei sich wohnen zu lassen, und er tat ihr das an! Wie hatte er bloß so gedankenlos sein können? Das Gespräch mit Braxton war ihm viel zu nahegegangen. Letztlich war es doch nur
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