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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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glättete es, und unter den sanften Bewegungen verließ die letzte Spannung Annikas Körper; ihr Kopf sank an Ellas Schulter. »Ich bin müde. Und ich bin es leid, zu fallen.«
    Ich auch , dachte Ella.

41
    Obwohl es noch nicht einmal ganz Morgen war, meldete Frère Rémy sich nach dem dritten Freizeichen, und Ella sagte: »Ich kann in einer Stunde bei Ihnen auf der Insel sein.«
    Â»Das ist zu früh«, sagte der Geistliche. »Ich erreiche meinen Onkel nicht vor heute Abend. Wenn sie um neunzehn Uhr an der Klosterpforte sind, hole ich Sie dort ab.«
    Â»Geht es bestimmt nicht früher?«, fragte Ella.
    Â»Nein«, sagte Frère Rémy. »Es wäre sinnlos und gefährlich, sich früher zu treffen.«
    Â»Sie wissen Bescheid?«
    Â»Dass die Feinde meines Onkels uns die ganze Zeit beobachten? Natürlich.« Der Geistliche wirkte unbeeindruckt. »Ich weiß, wie diese Leute vorgehen. Deswegen treffen wir uns im Kloster und nicht unten im Dorf oder auf dem Festland. Ich erwarte Sie um neunzehn Uhr.«
    Er unterbrach die Verbindung, und Ella hielt das Handy noch einige Sekunden ans Ohr gepresst, als könnte er plötzlich wieder in der Leitung sein und sagen, ich habe mich geirrt, mein Onkel wartet doch schon auf meinen Anruf, kommen Sie jetzt gleich. Sie sah durch die offene Beifahrertür auf die Wiesen hinaus, die hinter der Parkbucht lagen. Das Morgenlicht, das blendend hell um den Citroën flutete, erschien ihr auf einmal unwirklich, wie ein übertriebener Effekt der Natur. Annika vertrat sich draußen die Beine und entfernte sich langsam immer weiter vom Wagen. »Bleib in der Nähe!«, rief Ella ihr zu.

    Ella wählte die Nummer, die der Anwalt ihr gegeben hatte. Sie wusste nicht, ob er ihr glauben würde, aber wenn er befürchtete, dass sie von seinem Plan abwich, rückte Mado ihrem Tod wieder etwas näher. Sie spürte, dass ihre Hand zitterte, nicht sehr stark, nur ein bisschen. Sie achtete nicht darauf; wichtig war, dass ihre Stimme nicht zitterte. »Hallo«, meldete sich eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung.
    Â» This is Ella Bach speaking «, sagte Ella. Der Mann redete weiter, erst auf Französisch, dann auf Englisch, und sie begriff, dass sie mit einem Anrufbeantworter sprach. »Ich bin jetzt kurz vor der Küste«, erklärte sie. »Lazares Neffe will sich erst heute Abend mit mir treffen, früher kann er seinen Onkel nicht erreichen. Ich halte mich weiter an Ihren Auftrag, es verzögert sich alles nur um ein paar Stunden. Hören Sie? Ich tue weiter genau das, was Sie von mir verlangen.« Sie überlegte, ob sie sonst noch etwas sagen sollte, etwas, das glaubwürdiger klang. Ihr fiel nichts ein, und sie sagte, »Danke« und klappte das Handy zu. Sie tastete nach dem USB-Stick in ihrer rechten Jeanstasche wie nach einem Talisman, der ihr Glück bringen oder wenigstens weiteres Unglück verhindern konnte.
    Er muss dir glauben, dachte sie; er kann nicht anders, denn er hat auch keine andere Wahl. Er weiß nicht, dass du ihm nur etwas vorspielst, um Mados Leben zu retten. Sie brauchen dich. Etwas später dachte sie, dass er ihr ja auch nur etwas vorspielte und dass Dany wahrscheinlich recht hatte, und alles hing von ihrem Gespräch mit Lazare ab. Leben oder Tod, dachte sie.
    Ihr Blick fiel auf die Zeitung, Le Monde, die Annika an der Tankstelle gekauft und ungelesen auf den Rücksitz geworfen hatte. Auf der Titelseite der Zeitung waren mehrere Chinesen in schwarzen Anzügen und mit schwarz gerahmten Brillen zu sehen, die, ohne zu lächeln, vor dem Eiffelturm standen. In der Überschrift las Ella die Worte Chinois und Peking, aber viel mehr
verstand sie nicht. Sie stieg aus und suchte Annika, die zwischen den Sträuchern und Büschen am Rand der Parkbucht verschwunden war und jetzt auf der noch von schimmerndem Morgentau überzogenen Wiese stand.
    Â»Was ist das für ein Geruch?«, fragte Annika. Sie drehte sich einmal um sich selbst, die Hände ausgestreckt, als könnte sie den Geruch greifen.
    Â»Ã„pfel«, sagte Ella.
    Â»Du riechst Äpfel?«
    Â»Ja. Du nicht?«
    Â»Doch. Aber manchmal rieche ich etwas, das gar nicht da ist, kurz bevor ich einen Anfall kriege.«
    Â»Wir riechen beide Äpfel«, beruhigte Ella sie. Es war der süße, erdige Herbstgeruch der reifen Früchte, die unter den Bäumen zu kleinen Bergen aufgetürmt

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