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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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Kardiologie. Er sah aus, als würde er am offenen Herzen operiert, live vor meinen Augen und bei vollem Bewusstsein.«
    Â»Ich habe ihn vor die Tür gesetzt«, sagte Ella.

    Â»Und er ist tatsächlich gegangen?«
    Â»Nein. Deswegen habe ich seine Sachen gepackt und an seiner Stelle rausgeschmissen.«
    Â»Wenn du willst, kannst du bei mir bleiben, bis ihr alles geklärt habt«, sagte Max.
    Â»Es ist schon alles geklärt.« Der Sprinter raste auf die Mehringbrücke zu und gerade, als er die sechsspurige Brücke über den Landwehrkanal erreichte, schaltete die Ampel die Hallesche Straße für den Gegenverkehr frei. Die Sirene reichte Max nicht mehr, er drückte auch noch auf die Hupe, hupte und schaltete, niemand rechts, niemand links, und dann waren sie auf der Brücke, und vor dem nachtblauen Himmel über ihnen ratterten die gelb leuchenden Fenster eines S-Bahn-Zugs von Stahlträger zu Stahlträger.
    Â»Sechs Minuten«, sagte Max. »Diesmal schaffen wir es nicht unter acht.«
    Hinter dem Kanal fing es auf einmal an zu regnen, ein dichter Sommerregen, schwere Tropfen, silberne Lamettafäden, die hart auf den warmen Asphalt schlugen und zu kleinen Fontänen zerplatzten. Die Scheibenwischer klappten hin und her, schabten zwei Halbkreise auf die Windschutzscheibe, um die herum die Nacht in schimmernden Bächen zerlief.
    Auf einem kleinen Asphaltplatz rechts vor einem Club neben dem Tanz Palast stand ein Pulk Raver am Rinnstein, feierte eine Freiluftparty, in den Händen Red Bull-Dosen, Handys und brennende Zigaretten. Etwas weiter lärmte ein halbes Dutzend junger Türken oder Araber in weißen Trainingsanzügen, taten so, als gehörte der Bürgersteig ihnen. Unter dem Vordach eines Biomarktes lungerte eine Horde Punker, Bierflaschen zwischen den Füßen, bunte Frisuren, Lederjacken, alle betrunken, nur die Hunde nicht.
    Eine Ampel blitzte vorbei, noch mehr Lichter, die Ecke Yorckstraße, ein Imbiss, Tag-und-Nacht-Betrieb, hungrige Streuner
am Straßenrand. »Festhalten!« Max riss das Steuer nach rechts, mitten auf der Fahrbahn, die Reifen jaulten, schmierten Gummi auf den Asphalt. Der Wagen neigte sich, schien zu kippen und kippte doch nicht. Max gab wieder Gas, schlug das Lenkrad leicht nach links ein, jagte den Wagen über einen Riss in der Straße, und der Sprinter hob ab, schoss durch die Luft, ein paar Millisekunden Zauberteppich auf Speed, dann die Landung und noch einmal links rein und runter vom Gas, mehrmals kurz bremsen, endlich rechts die Benno-Ohnesorg-Straße. »Sieben Minuten.«
    Es war eine schmale Straße, gesäumt von ein paar Bäumen, einem Gewerbehof und ein paar kleinen Läden in einer Häuserzeile aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die Bäume waren dicht belaubt, und die Blätter schimmerten nach dem Regen, der genauso plötzlich wieder aufgehört hatte. Die nasse Fahrbahn dampfte im Licht der Scheinwerfer. Die Wischer quietschten auf der schnell trocknenden Scheibe, und Max stellte sie ab.
    Das Flackern der Blaulichtleiste auf dem Dach huschte über die Gebäudefassaden und die Straße. Max schaltete auch das Martinshorn aus. Langsam steuerte er den Sprinter die Straße hinauf, an den rechts und links geparkten Fahrzeugen entlang. Der rote Punkt auf dem Display des Navis blieb stehen. »Da vorn muss es sein, das vierte Haus«, sagte Ella, und jetzt konnte sie ihren rasenden Herzschlag in ihrer Stimme vibrieren hören. »Das mit dem Gerüst.«
    Â»Ich kann kein Licht sehen«, sagte Max.
    Auf der anderen Straßenseite lag ein Park, die schwarzen Kronen der Bäume rauschten im Wind. Die Bürgersteige waren verwaist. Die Laternen spendeten nur wenig Helligkeit, und die Fenster der Häuser waren dunkel. Max hielt vor dem Haus mit dem Gerüst und schaltete zusätzlich zum Blaulicht noch die Warnblinkanlage ein.

    Â»Hoffentlich macht einer auf«, sagte er. »Wo bleibt die Feuerwehr? «
    Â»Ist wahrscheinlich jeden Moment da«, sagte Ella. »Wir gehen schon mal rauf.«
    Sie stöpselte den Ohrhörer ein, stieß die Tür auf und sprang aus dem Wagen. Sie griff nach dem tragbaren Defibrilator, Max nahm den großen Notfallkoffer. »Bestimmt gibt es wieder keinen Fahrstuhl«, sagte er. »Es gibt nie einen Fahrstuhl, wenn wir in den obersten Stock müssen.«
    Aus einem der Hinterhöfe drang Partylärm, Musik und

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