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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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antwortete nicht. Vielleicht ist sein Mikro bei dem Sturz kaputtgegangen, vielleicht kann er mich hören, nur nicht antworten.
    Â»Max, hier stimmt was nicht. Kannst du mich hören?«
    Noch immer keine Antwort, nur das tote Knistern.

2
    Ella kniete nieder, nahm die Lampe wieder zwischen die Zähne und öffnete den Notfallkoffer. Hoffentlich war die Tür nicht abgesperrt. Sie leuchtete in die Tasche, suchte das Aqua Gel. Sie öffnete eine Ampulle und spritzte das Gleitmittel in das Schloss und zwischen Türfüllung und Rahmen, dorthin, wo sie die Eisenzunge vermutete. Sie nahm eins der einzeln verpackten Einmalskalpelle aus der sterilen Verpackung und schob die Klinge in den Spalt, in den sie das Gel gespritzt hatte, bis sie Widerstand spürte.
    Langsam gab die Eisenzunge nach, erst nur zäh, aber als das Gel darüberglitt, ging es leichter. Ella stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür, setzte ihr ganzes Körpergewicht ein. Das Schloss hakte einen Moment, dann löste sich eine Sperre, und die Eisentür schwang nach innen, ohne dass Licht herausfiel. Ein warmer Luftzug strich ihr über das Gesicht, und plötzlich zog sich ihre Kopfhaut zusammen. Ella ließ das Skalpell fallen.
    Was ist das für ein Geruch?
    Sie nahm die Lampe wieder aus dem Mund, schloss den Notfallkoffer und hob ihn auf. »Rettungsdienst!« Sie hinderte die Tür mit der Schulter am Zufallen, richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Boden vor sich und trat über die Schwelle in die Dunkelheit dahinter. »Hallo?!«
    Der Lichtkegel geisterte über schwarz gebeizte Holzbohlen, durch einen weitläufigen Flur, an hellgrau gestrichenen Wänden
hinauf, erfasste ein gerahmtes Gemälde, Pastellfarben, und glitt wieder hinunter. Ein Schleier winziger roter Punkte, wie mit einer Sprühpistole aufgetragen, zog sich über eine der Wände.
    Was ist das bloß für ein scheußlicher Geruch?
    Â»Max? Wenn du mich hören kannst, ich brauche Hilfe hier oben!«
    Sie suchte nach einem Lichtschalter und drückte ihn. Es blieb dunkel. Vorsichtig ging sie weiter, tiefer in die Wohnung hinein. Der Strahl der Lampe huschte über die besprühten Wände, über wertvoll aussehende Möbel und Teppiche, alle mit roten Punkten übersät. Ella achtete nicht darauf, wohin sie trat, und auf einmal spürte sie, wie die Sohle ihres rechten Turnschuhs den Halt verlor. Sie rutschte aus, fing sich aber, bevor sie stürzen konnte.
    Sie richtete den Strahl wieder auf den Boden. Glassplitter blinkten, als hätte jemand die Lampen zerschlagen. Glänzende Wasserlachen bedeckten die Ebenholzbohlen. Etwas weiter in den Salon hinein wurden sie rot, und da begriff Ella; endlich begriff sie, dass es gar keine rote Farbe war überall vor ihr in der Wohnung.
    Genau in diesem Moment hörte sie ein unheimliches Wimmern. Langsam ging sie weiter. Sie richtete den Strahl der Taschenlampe erst auf die Glassplitter in den Blutlachen auf dem Boden und dann auf ein rot glitzerndes Bündel in der Mitte des großen Raums gleich vor ihr, aus dem das Wimmern zu dringen schien.
    Kehr um! Warte auf Hilfe!
    Ihre Schuhe quietschten auf dem nassen Boden. Mit jedem Schritt sah sie mehr von dem Raum und dem wimmernden Bündel, und erst als sie schon ganz nah war, erkannte sie, dass es sich bei dem Bündel um einen Menschen handelte. Er oder sie lag auf dem Rücken, und dort, wo die Brust sein musste, die nackte Brust, hob und senkte sich etwas in unregelmäßigen Abständen.
Die Arme und Beine zitterten, und das entstellte, blutüberströmte Gesicht wandte sich nun fast bedächtig Ella und dem Licht zu.
    O Gott, dachte Ella. O Gott. Etwas Fürchterliches war mit diesem Gesicht geschehen. Ich bin Ärztin, sagte sie. Dann sagte sie es noch einmal, »Ich bin Ärztin«, denn beim ersten Mal war kein Ton herausgekommen. »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. « Sie stellte Defi und Koffer ab und beugte sich über die wimmernde Frau – es ist doch eine Frau, sie haben gesagt, dass es eine Frau ist –, und dabei versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen. Sie sah die Hand mit den fehlenden Fingernägeln in der Blutlache, in der die Frau lag, und sie sah die Wunden, die nackte, in Streifen geschnittene Haut, und sie versuchte immer noch, sich nichts anmerken zu lassen.
    Â»Wie ist das passiert?«, fragte sie. In ihrem Verstand formte sich ein Bild, das sie sofort

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