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Erlosung

Erlosung

Titel: Erlosung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischer Claus Cornelius
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großer schwarzer Ledersessel auf Rollen stand an einem gut fünf Meter langen Arbeitstisch, auf dem sich technische Apparate aller Art befanden: Rechner, für die sich die NASA nicht geschämt hätte, Laptops, digitale Camcorder, Richtmikrofone, Nachtsichtgeräte, Fotoapparate mit Teleobjektiven in unterschiedlichen Größen, Kopfhörer mit gepolsterten Ohrmuscheln, ein altmodisches Spulentonband, ein Avid-Schnittpult und ein voluminöses Teleskop, mit dem man wahrscheinlich Leben auf der Rückseite des Mars entdecken konnte.
    Das Teleskop stand direkt am Fenster und war auf die Häuser jenseits des Hofs gerichtet.
    Jetzt war Ella klar, warum er nicht die Polizei gerufen hat. Und warum er sich so merkwürdig ausgedrückt hatte, so als wüsste er nicht genau, was er gegenüber sah.
    Die unverputzten Wände waren hinter deckenhohen Regalen verborgen, in denen Hunderte von Videokassetten, DVDs und CD-Roms mit weißen Rücken standen, nummeriert und beschriftet. An der einzigen freien Wand hing ein einarmiger Bandit neben einer Dartscheibe, davor stand ein kirmesbunter Flipperautomat. Zwischen einer mannshohen Dagobert Duck-Statue aus bemaltem Eisen und einer ebenso großen Terminator -Figur spannte sich eine Hängematte, in der ein Elefant Platz gefunden hätte. Der zerkratzte Linolboden war übersät mit leeren Coca-Cola-Dosen, Bierflaschen, winzigen Wodkafläschchen, mit ketchupverschmierten Hamburger-Schachteln, Fetzen von Pizzakartons und randvollen Aschenbechern.

    Â»Bitte, machen Sie das Licht aus!«, flehte Michalewski.
    Ella schaltete die Glühbirne wieder aus und ging zur Balkontür, um die Lamellen der heruntergelassenen Jalousie zu schließen. Ihr Blick fiel auf das Penthouse jenseits des Hofes. Sie konnte nur eins der Fenster hinter den Plastikplanen sehen, aber die Räume dahinter waren dunkel. »Haben Sie hier gestanden? «, fragte sie den dicken Mann.
    Â»Ich … ich …«
    Dany trat neben Ella und sah ebenfalls hinaus. Dann sagte er: »Zeigen Sie uns die Aufnahmen.«
    Â»Was für Aufnahmen?«, fragte der dicke Mann.
    Â»Die Frau, die Sie von hier aus beobachtet haben, ist meine Schwester«, sagte Dany, »und wahrscheinlich haben Sie sie nicht nur beobachtet, sondern auch gefilmt. Wahrscheinlich haben Sie alle Ihre Nachbarn rings um den Hof gefilmt und abgehört, aber die anderen interessieren mich nicht. Ich will nur die Aufnahmen sehen, die Sie von meiner Schwester gemacht haben in der Nacht, in der sie überfallen worden ist, und davor.«
    Â»Ich weiß nicht«, begann der dicke Mann, und seine Fettmassen unter dem Sweatshirt zitterten so stark, dass Ella es sogar im Zwielicht der Skalen und Anzeigen sehen konnte, »ich habe keine Ahnung, was Sie meinen. Bitte gehen Sie jetzt.«
    Dany ging zu dem nächststehenden Regal und fing an, die VCR-Kassetten und DVDs von den Brettern zu nehmen und auf den Boden fallen zu lassen. »Sie sind ein Voyeur, und der einzige Grund, warum ich Sie nicht auf der Stelle nach Strich und Faden verprügele, ist, dass Sie wenigstens so viel Anstand hatten, den Notarzt zu rufen, als Sie gesehen haben, was mit meiner Schwester passierte. Aber wenn Sie mir nicht sofort alles aushändigen, was Sie von ihr aufgenommen haben, dann zerstöre ich hier jedes Band, jede CD-Rom und jede Datei, und danach nehme ich mir Ihre Kameras und Tonbandgeräte vor…«
    Â»Bitte – bitte! « Michalewskis Hände flatterten wie aufgescheuchte
Vögel durch die Luft, bevor sie wieder zu beiden Seiten seines mächtigen Leibes herabsanken. Er wischte sich mit ungeschickten Fingern über die beschlagenen Brillengläser. »Ich zeige es Ihnen, aber ich will es nicht – ich will es nicht noch einmal sehen.«

17
    Zuerst sah man nur das Gerüst und die Plastikplanen und den kleinen Ausschnitt, wo sich die Plane gelöst hatte und den Blick auf das Fenster freigab. Die Plane flatterte; das Fenster stand einen Spaltbreit offen. Der Vorhang war zurückgezogen, aber in der Wohnung brannte kein Licht. Nur das Wasser in dem großen Aquarium vor dem Fenster schien schwach zu leuchten. Alles war in ein unwirkliches, körniges Grün getaucht wie die Aufnahmen, die manchmal im Fernsehen von nächtlichen Operationen geheimer Spezialtruppen in Kriegsgebieten gezeigt wurden.
    Aus den Lautsprechern auf dem Boden neben dem Avid drang das Rauschen des Regens, das

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