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Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Titel: Ermittler in Weiß - Tote sagen aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgan Dürwald
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zusammengepresst worden. Auffällig war eine auf der linken Wange befindliche streifenförmige Hautabschürfung, die sich auf der linken Schläfe fortsetzte und von unten nach oben verlief. Auf der rechten Kopfseite fand sich eine rechtwinklige Einreißung der Haut. Das rechte Ohr war fast abgerissen und der Schädelknochen darunter ebenfalls rechtwinklig nach innen eingedrückt. Wie waren diese Verletzungen entstanden? Um sie ausdeuten zu können, musste ich die Unfallstelle und das Unfallfahrzeug sehen. Wir fuhren also nach Abschluss der Sektion zunächst an die Unfallstelle und anschließend in das Kreisamt, weil dort das Unfallfahrzeug auf dem Hof stand. Die Besichtigung des Unfallortes ergab, dass der Lkw mit der rechten Seite der Fahrerkabine beim Abkommen von der Straße nach rechts zunächst einen Straßenbaum lediglich gestreift hatte. Es fanden sich geringe Schleifspuren an der Beifahrertür. Auch am Baum war die Rinde nur geringfügig abgeschürft. Dann war der Lkw frontal gegen einen zweiten, wesentlich dünneren Baum geprallt und hatte diesen umgeknickt. An der rechten Seite des Fahrzeugs fanden sich an der vorderen Kante der Pritsche, gleich hinter dem rechten Seitenfenster, Blutspuren und Gewebeteilchen, offenbar Hautpartikel, die zur weiteren Untersuchung gesichert wurden. Außerdem fanden sich hier abgeschürfte Rindenteilchen. Wir fuhren wieder zurück, um die Leiche noch einmal genau anzusehen. In dem Schürfbezirk an der rechten Kopfseite fanden sich bei Lupenbetrachtung kleinste Partikel der Baumrinde. Nun kam langsam Klarheit in den Unfallablauf. Der Tote, also der Beifahrer, musste zum Unfallzeitpunkt auf der rechten Seite gesessen haben und hatte den Kopf weit zum Seitenfenster herausgestreckt. In diesem Moment war das Fahrzeug von der Straße nach rechts abgekommen und hatte den ersten Baum gestreift. Der Kopf des Beifahrers war in nahezu waagerechter Haltung zwischen Straßenbaum und der vorderen Pritschenwand des Lkw gequetscht worden. Dadurch waren neben der Hautabschürfung auch die Platzwunde am rechten Ohr und der Trümmerbruch des Schädels entstanden. Es stand somit zweifelsfrei fest, dass der Tote zum Zeitpunkt des Unfalls nicht am Steuer, sondern auf dem Beifahrerplatz gesessen hatte und somit der Überlebende der Fahrer gewesen war. Auf entsprechende Vorhaltungen gab der Fahrer schließlich zu, dass sie kurz vor der Unfallstelle noch einmal die Plätze gewechselt hatten, weil dem Beifahrer übel geworden war. Dieser hatte daraufhin den Kopf zum Fenster herausgehalten und versucht, sich zu übergeben. Ganz offensichtlich konzentrierte der Fahrer seine Aufmerksamkeit mehr auf diesen Vorgang als auf die Straße und verursachte durch seine Unaufmerksamkeit den Unfall. Beide wiesen übrigens einen Blutalkoholwert um 1,8 Promille auf. 
      Im geschilderten Fall konnte die Sitzposition im Wesentlichen durch die Verletzungen eines der Beteiligten geklärt werden, da eine Berührung mit dem Baum eben nur auf der Beifahrerseite möglich war. Nicht immer sind Spuren von Gegenständen außerhalb des Fahrzeugs, die nur auf einem ganz bestimmten Sitz entstehen können, vorhanden bzw. nachweisbar. Es muss dann nach anderen Hinweisen zur Bestimmung der Sitzposition gesucht werden. Sehr häufig sind das so genannte geformte Verletzungen, die bestimmten Gegenständen oder Stellen im Fahrzeuginneren zugeordnet werden können. In der Zeit, bevor das Anlegen der Sicherheitsgurte Pflicht wurde, waren sehr häufig schwere Brustkorbverletzungen, die durch das Lenkrad hervorgerufen wurden, ein Hinweis auf den Fahrzeuglenker. Durch die Gurtpflicht sind diese Verletzungen etwas in den Hintergrund getreten. Aber die Gurte selbst bzw. die durch sie hervorgerufenen Verletzungen bzw. Veränderungen können eventuell Hinweise auf die Sitzposition geben. Bei schweren vorwiegend frontalen Gewalteinwirkungen kommt es nicht selten in dem Bereich, in dem der Gurt dem Körper anliegt, zu mehr oder weniger deutlichen Hautabschürfungen oder Unterblutungen, die den Verlauf des Sicherheitsgurtes anzeigen. Da beim Fahrer der Gurt von der linken Schulter zur rechten Hüfte und beim Beifahrer von der rechten Schulter zur linken Hüfte verläuft, lässt sich anhand der erwähnten Veränderungen feststellen, auf welcher Seite der Betreffende gesessen hat. Grundsätzlich ist es bei jedem Verkehrsunfall wichtig, die Entstehung aller Verletzungen, auch oder gerade der unbedeutenden und nebensächlichen, soweit wie möglich zu

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