Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
einer oder mehrere Insassen beim Unfall verstorben sind, gibt man nicht selten zu Protokoll, dass einer der Toten das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gefahren habe, da er ja nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann. Die Aufklärung wird in derartigen Fällen durch die Tatsache erschwert, dass die Helfer, die als Erste am Unfallort eintreffen, sich oft nicht mehr genau erinnern können, in welcher Reihenfolge sie die einzelnen Insassen aus dem Auto herausgezogen haben oder wer als Erster herausgeklettert ist. Verständlicherweise steht die Hilfeleistung und die Versorgung der Verletzten im Vordergrund. An die rechtlichen Fragen denkt man erst später, wenn die Ermittlungen beginnen und die Schuldfrage geklärt werden soll. Dann stellt sich heraus, dass man in der ersten Aufregung, die ein Unfall mit Verletzten oder gar Toten immer hervorruft, auf solche Umstände wie die Sitzposition gar nicht geachtet hat.
Gegen 10 Uhr, zur Frühstückszeit, war eine kleine Stadt erreicht und das Fahrzeug hielt auf dem Marktplatz vor dem Rathaus. Die Fernfahrer kannten den Ratskeller und wussten, dass man hier einen guten Kaffee trinken und vorzüglich essen konnte. Wohlgemut und in bester Laune gingen sie die wenigen Stufen zur Gaststätte hinab. Sie waren um diese Zeit fast die einzigen Gäste. Beide bestellten sich ein Kännchen Kaffee und eine Kleinigkeit zum Essen. Es schmeckte vorzüglich. Nach dem Frühstück verspürten beide noch Durst, zumal sich die Wärme des Tages bemerkbar machte. Der Fahrer lud seinen Beifahrer zu einem Glas Bier ein. Ein Gläschen konnte ja nicht schaden, auch wenn noch ein Kurzer, ein kleiner Schnaps, dazukam. Der Beifahrer wollte nicht als Nassauer gelten und ließ sich deshalb auch nicht lumpen. Er revanchierte sich ebenfalls mit einem Gedeck. Das wiederum ließ dem Fahrer keine Ruhe. »Noch mal das Gleiche, Frau Wirtin«, rief er. Und so ging es noch eine Weile weiter. Inzwischen hatten sich noch einige weitere Gäste eingefunden, mit denen die beiden ins Gespräch kamen. Nach gut einer Stunde waren sie endlich wieder bereit, die Fahrt in fröhlicher Stimmung fortzusetzen. Die neuen Freunde aus der Gaststätte brachten die beiden noch bis zu ihrem Lkw und verabschiedeten sie lautstark. »Bis bald, wir kommen auf der Rückfahrt wieder vorbei«, versprachen die Fernfahrer. Bevor die beiden einstiegen, forderte der Fahrer seinen Kollegen auf, jetzt eine Weile das Steuer zu übernehmen, da er ja den Wagen bis hierher gefahren habe. Der Beifahrer war auch sofort bereit und kletterte hinter das Lenkrad, während der Fahrer auf dem Beifahrersitz Platz nahm. In bester Stimmung wurde die Fahrt fortgesetzt. Aber leider nicht allzu weit. Nach einer Fahrstrecke von etwa 10 Kilometern kam der Lkw ohne ersichtlichen Grund nach rechts von der Straße ab, streifte einen dort stehenden Straßenbaum, fuhr den nächsten relativ kleinen Baum um und kippte dann seitlich in den Straßengraben. Da die Straße um diese Zeit leer war, dauerte es einige Minuten, bis ein anderes Fahrzeug vorbeikam. Es handelte sich um ein Armeefahrzeug mit einigen Soldaten, die sofort erste Hilfe leisteten und einen der Insassen, der nur leicht verletzt war, aus dem Führerhaus befreiten. Der zweite Insasse des Lkw, offenbar wesentlich schwerer verletzt, konnte nur mit großer Anstrengung geborgen werden. Er verstarb noch an der Unfallstelle. Als wenige Minuten später die Verkehrspolizei eintraf und mit der Befragung des leicht verletzten Überlebenden begann, sagte dieser aus, dass er der eigentliche Fahrer des Lkw sei, zum Unfallzeitpunkt aber sein Beifahrer am Steuer gesessen habe. Diesem sei plötzlich schlecht geworden, weshalb er von der Straße abgekommen und in den Graben gefahren sei. Eine spätere Befragung der Gäste aus dem Ratskeller bestätigte diese Aussage insofern, als alle gesehen hatten, wie der Beifahrer hinter das Steuer des Lkw geklettert und losgefahren war. Somit schien alles klar. Es handelte sich offenbar um einen alkoholbedingten selbstverschuldeten Unfall. Trotz dieser an sich klaren Situation wurde doch eine gerichtliche Sektion des Toten angeordnet. Wir fuhren also am nächsten Tag in die Kleinstadt, in deren Nähe sich der Unfall ereignet hatte, und führten die Sektion durch. Der Tote wies schwere Schädelverletzungen auf. Im Bereich der behaarten Kopfhaut fanden sich mehrere große Platzwunden. Der Schädelknochen war weitgehend zertrümmert. Der ganze Kopf machte den Eindruck, als sei er seitlich
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