Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
Untersuchungshaft entlassen. Nach dem Geständnis erfolgte eine Rekonstruktion am Tatort, bei der der Oberpfleger alle Einzelheiten der Tat auf das genaueste vorführte. Er berichtigte sogar Zeugen und machte sie auf Kleinigkeiten, die diesen entfallen waren, aufmerksam. Beim Chefarzt entschuldigte er sich unter Tränen für seine verbrecherischen Handlungen und gab das Versprechen ab, sich in Zukunft durch gute Arbeit zu bewähren. »Ich will meinen Fehler wiedergutmachen«, verkündete er. Als er jedoch wenig später die Anklageschrift erhielt und erfuhr, dass er wegen Mordes angeklagt werden sollte, widerrief er kurz vor Beginn der Hauptverhandlung sein Geständnis und behauptete, mit der ganzen Sache nichts zu tun zu haben. Nur unter Druck und um seine Ruhe zu haben, habe er die Vergiftungen zugegeben. In der Hauptverhandlung verwickelte er sich aber laufend in Widersprüche. Er konnte auch nicht abstreiten, selbst Arsen eingenommen zu haben, denn es wurde ihm in den Haaren und unter den Fingernägeln sowie im Urin eindeutig nachgewiesen. Trotz allem bestritt er unnachgiebig bis zum Schluss die Tat. Für das Gericht waren die Beweise eindeutig unwiderlegbar. Es verurteilte ihn wegen vierfachen Mordes zum Tode Da die Todesstrafe damals in der DDR noch nicht abgeschafft war, wurde er hingerichtet. Weitere nicht aufgeklärte Todesfälle im Krankenhaus konnten ihm nicht zur Last gelegt werden. Dennoch kann man nicht ausschließen, dass er weitere Patienten vergiftet hat. So wurde auch in den noch vorhandenen geringen Organstückchen von der zuallererst durchgeführten Sektion noch Arsen nachgewiesen. Da aber nicht sicher auszuschließen war, dass die Konservierungsflüssigkeit bereits vorher mit Arsen verunreinigt worden war, wurde hier die Anklage fallen gelassen, ebenso in den Fällen, wo nach Kremationen in der Leichenasche Arsen nachweisbar war. Denn auch hier konnte nicht sicher ausgeschlossen werden, dass Arsen beim Verbrennungsprozess - etwa aus den Schamottesteinen des Ofens - in die Asche gelangt war. So blieb es bei der Verurteilung wegen der vier sicher nachgewiesenen Morde. Es sei noch am Rande erwähnt, dass der Oberpfleger bis zu dieser Tat eine völlig normale und unauffällige Entwicklung aufwies. In der Schule kam er immer gut mit. Nach der Ausübung einiger anderer Berufe wurde er Krankenpfleger und legte auch die staatliche Prüfung ab. Seine Arbeit wurde von allen Kollegen als gut und korrekt bezeichnet. Die Krankenhausleitung brachte ihm viel Vertrauen entgegen, setzte ihn schon bald als Oberpfleger ein und betraute ihn sogar mit der Führung der Krankenhausapotheke. In den 23 Jahren seiner pflegerischen Tätigkeit ließ er sich keinerlei Verfehlungen zuschulden kommen. Im psychiatrischen Gutachten wurde er als voll schuldfähig eingestuft, irgendwelche psychischen Abwegigkeiten lagen danach nicht vor. Er wurde noch nicht einmal als besonders gefühlskalt geschildert. Umso erstaunlicher erscheint es, dass dieser Mensch ohne nennenswerte Hemmungen mehrere Menschen vorsätzlich tötete. Schluss Inzwischen war ich jetzt nahezu fünf Jahre in der Gerichtsmedizin tätig. Ein Wechsel zurück in die Klinik, der mir lange vorgeschwebt hatte, schien fast schon zu spät zu sein, zumal sich noch keine Lösung für die Besetzung des Lehrstuhls abzeichnete. Zu einem bestimmten Zeitpunkt sah es zwar so aus, als ob eine Wiederbesetzung möglich wäre. Mein Vorgänger, Prof. Timm, war von der sowjetischen Besatzungsmacht vorzeitig, d. h. nach acht Jahren Zuchthaus, entlassen worden. Die Jenaer Fakultät beschloss sofort, ihn auf seinen alten Lehrstuhl zu berufen, und reichte den entsprechenden Antrag an das damalige Staatssekretariat für das Hoch- und Fachschulwesen ein. Tatsächlich leitete man umgehend die Berufungsverhandlungen ein, sodass der geplanten Wiederbesetzung des Lehrstuhls nichts mehr im Wege zu stehen schien. Allerdings stand die Zusage von Prof. Timm noch aus. Mir kam diese Entwicklung sehr gelegen, denn ich lag seit einigen Monaten wegen einer Lungentuberkulose, die ich mir im Beruf zugezogen hatte, in einer Heilstätte in Jena und leitete von dort aus das Institut, weil eine Vertretung nicht zu finden war. Das gestaltete sich überaus kompliziert, weil ich nur über eine ärztliche Mitarbeiterin verfügte, die die ganze Außentätigkeit auf sich nehmen musste. Für mich blieb es dennoch sehr schwierig, da ich gezwungen war, die auswärtigen Gerichtstermine weiterhin selbst wahrzunehmen. Ich
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