Ermittler in Weiß - Tote sagen aus
auch eine Seitenwagenmaschine.« Weil trotz dieser Aussage einige Zweifel über den Unfallablauf nicht ausgeräumt werden konnten, wurde eine gerichtliche Leichenöffnung angeordnet. Sie bestätigte als Todesursache die schwere Gehirnerschütterung. Es lag ein Schädelbasisbruch vor. Die übrigen Verletzungen waren unbedeutend. Eine geringe Hautabschürfung, die nach dem Tode eingetrocknet war und deshalb deutlich hervortrat, fand sich am linken Knie über der Kniescheibe. Einen ähnlichen, aber wesentlich geringeren Befund wies das rechte Bein über der Kniescheibe auf. Weiter war eine strichförmige Hautabschürfung an der Außenseite des linken Oberschenkels zu erkennen, die nicht ganz in der Längsachse des Oberschenkels, sondern in einem spitzen Winkel zu dieser verlief. Eine ähnliche Abschürfung fanden wir übrigens auch beim Überlebenden an der Außenseite des linken Oberschenkels. Nur war hier der Winkel zur Oberschenkellängsachse etwas anders, sie verlief nahezu parallel zum Oberschenkelknochen. Beide Abschürfungen sahen so aus, als ob sie vom Entlangstreifen am Baum, also von der Baumrinde herrührten. Aber warum der unterschiedliche Winkel zur Oberschenkellängsachse? Das konnte nur mit der Sitzposition zusammenhängen. Und so war es auch. Beim Fahrer der Maschine waren die Knie wesentlich stärker angewinkelt als beim Soziusfahrer, der infolge des höheren Sattels die Beine etwas gestreckter hielt. Der Tote musste also auf dem Soziussitz gesessen haben und konnte demnach nicht der Fahrer gewesen sein. Nach dieser Sachlage kam auch den geringen Verletzungen an den beiden Kniescheiben eine Bedeutung zu. Sie bestätigten nämlich die Sitzposition auf dem Soziussattel, denn nur wer auf diesem Sattel gesessen hatte, konnte beim Frontalanprall mit den Knien gegen zwei am Fahrersattel genau in dieser Höhe liegende Schrauben gestoßen sein. Damit war die Aussage des Überlebenden, sein Freund sei gefahren, widerlegt. Er gestand dann auch sehr bald, dass er gelogen hatte. Er war selbst gefahren. Auf die Idee, seinen Freund als Fahrer anzugeben, sei er erst gekommen, als er vom Stationsarzt gehört hatte, dass dieser verstorben war. »Dem kann ja doch nichts mehr passieren«, war ihm sofort durch den Kopf geschossen.
Die Fälle, bei denen der überlebende Fahrer einen getöteten Mitfahrer als Fahrer angibt, sind gar nicht so selten, besonders wenn Alkohol mit im Spiel ist. Glaubt der Schuldige doch, damit sowohl einer Bestrafung als auch dem Führerscheinentzug zu entgehen. Als Entschuldigungsgrund dient ihm wie im Falle von Paul fast immer das Argument, dass dem Toten ja sowieso nichts mehr passieren könne. Bei dieser Falschaussage bedenkt er nicht oder ignoriert er im eigenen Interesse bewusst, dass unter Umständen aber noch erhebliche zivilrechtliche Probleme auf die Angehörigen zukommen können. Deshalb sollte auch in Fällen, bei denen der Unfallhergang und die Schuldfrage klar zu sein scheinen, eine gerichtsmedizinische Untersuchung erfolgen. Es geht dabei auch nicht nur darum, den überlebenden Fahrer festzustellen. Wie der folgende Fall zeigt, gelingt es auf diese Weise gelegentlich auch, den vermuteten Unfallverursacher zu entlasten.
Eine Geburtstagsfeier
Freitagabend, die Arbeitswoche ist zu Ende. Familie B. hofft auf ein schönes Wochenende. Es geht auf den Herbst zu. Die Tage sind schon etwas kürzer geworden, und das Wetter war in letzter Zeit recht wechselhaft. Aber laut Wetterbericht soll das Wochenende noch einmal richtig schön werden. Familie B. freut sich schon darauf. Gartenarbeit ist angesagt. Und das Wochenende beginnt ja sehr gut. Arn Abend sind die Eheleute zur Geburtstagsfeier eines Arbeitskollegen eingeladen. Der eigentliche Geburtstag ist zwar erst am Samstag, aber wegen des dann zerrissenen Wochenendes soll die Feier schon heute steigen und natürlich über Mitternacht hinausgehen, sodass dem Jubilar gratuliert und die Geschenke übergeben werden können. Das Ehepaar B. zieht sich um, packt die Blumen ein und holt den Wagen aus der Garage. Kurz nach 19 Uhr geht es los. Sie beeilen sich, weil sie auf keinen Fall Nachzügler sein wollen. Dennoch ist ein anderes Ehepaar schon vor ihnen da. »Aber wenigstens sind wir nicht die letzten«, sagt Frau B. und nimmt den Begrüßungstrunk, ein Glas Wein, entgegen. »Ein Glas kann ich ja jetzt noch trinken, das ist bis zur Heimfahrt wieder raus«, plaudert sie weiter, »ich muss nämlich heute die Heimfahrt übernehmen, weil
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