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Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Ermittler in Weiß - Tote sagen aus

Titel: Ermittler in Weiß - Tote sagen aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgan Dürwald
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Wehrmacht mehrfach in der Klinik herumlief, der sich noch durch zusätzliche silberne Feldwebelsterne und falsche Kragenspiegel geschmückt hatte und außen am Mantel eine Ordensspange trug, was absolut unüblich war und nicht der Uniformordnung entsprach. Der Mann wurde weiter auffällig, als er in der Klinik eine von ihm eingewiesene Patientin sehr heftig küsste und, obwohl er in der Klinik nicht angestellt war, verschiedenen Patienten Rezepte ausstellte, die den Aufdruck »Dr. H. v. W, Erzbischöflicher Medizinalrat« trugen. Wegen seines auffälligen Benehmens und weil der Verdacht bestand, dass es sich gar nicht um einen Arzt handelte, wurde die Polizei verständigt, die ihn zunächst vorläufig festnahm. Bei der Vernehmung wirkte er sehr zerstreut und konnte auch einfache Fragen nicht beantworten. Die Vernehmung musste abgebrochen werden, weil er offenbar unter dem Einfluss von Rauschgift stand. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass bereits in einem Schreiben der Reichsärztekammer vom März 1942 auf den hohen Pervitinverbrauch des Arztes Dr. v. W. hingewiesen wurde. Bei Pervitin handelte es sich um ein Aufputschmittel, das die Konzentrationsfähigkeit und Leistungsbereitschaft steigert und wegen seiner Suchtgefahr dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt. Der Festgenommene trug die Fotokopie eines Dienstausweises der Kriminalpolizei bei sich, die auf den Namen »Dr. med. v. W, Gewerbe-Medizinal-Assessor« lautete. Weiter hatte er einen Ausweis der Leipziger Polizei vom 5.5.1945 auf den Namen »Dr. H. v. W. und S., Erzbischöflicher Medizinal-Rat« bei sich, Rezeptformulare mit der gleichen Aufschrift und einen Wehrersatzpass, der auf den »Sanitätssoldaten Dr. H. v. W. und S.« lautete und von allen Papieren noch den echtesten Eindruck machte, obwohl der Doktortitel auch falsch war. Er wies weiter eine Fotokopie über die »Verleihung des ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem an den akademischen Forstwirt H. v. W.« vor. Bei der damaligen polizeilichen Vernehmung gab er an, die Uniform eines Stabsarztes der faschistischen Wehrmacht mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung getragen zu haben, da diese ihn wegen seiner Zusammenarbeit mit einem Major des CIC wieder in seinen alten Dienstgrad eingesetzt und somit seine Degradierung rückgängig gemacht habe. Den Titel »Erzbischöflicher Medizinalrat« will er vom Erzbischof von Smolensk für seine Betreuung der Partisanen und den Aufbau eines Netzes von ärztlichen Stützpunkten für die russische Bevölkerung im besetzten Gebiet erhalten haben. Auch diese Behauptung belegte er wieder mit der Fotokopie einer Bescheinigung eines russischen Geistlichen aus Berlin. Überhaupt arbeitete er fast ausschließlich mit Fotokopien von allen möglichen Bescheinigungen und Zeugnissen, weil diese offenbar von ihm am leichtesten zu fälschen waren. Da man damals schon in Leipzig erhebliche Zweifel an seiner medizinischen Ausbildung hatte, wurde er einer Prüfung durch zwei bekannte Leipziger Ärzte unterzogen. Diese bescheinigten ihm ein oberflächliches medizinisches Wissen, das nicht über einige Schlagworte hinausging, die auch einem Heil-gehilfen verständlich sein müssten. Bei dieser Befragung fiel den Ärzten eine rasch eintretende Ermüdung auf, er machte den Eindruck eines Süchtigen. Auch bei einer im November 1945 von ihm übernommenen Praxisvertretung gab es eine Menge von Beschwerden über seine ärztliche Tätigkeit. So meldete das Gesundheitsamt im März 1946 an die Ärztekammer, dass er die Sprechstundenzeiten nicht einhalte bzw. Sprechstunden nach Belieben und ohne Begründung ausfallen lasse. Auch habe er eine Schwanger- schaftsunterbrechung vorgenommen, ohne sie gemeldet zu haben. Viele Beschwerden gab es über seine Honorarforderungen. Unterschiedlichste Krankheitsfälle behandelte er mit der selbst erfundenen, dem Leser bereits bekannten »Heilsalbe«, die er »Wilckosan« nannte und die aus einer Vaseline bestand, in die er Penicillinpulver eingerührt hatte. Trotz Kassenschein berechnete er zwischen 30 und 100 Reichsmark je Verbandswechsel. Einen lljährigen Jungen, der gestürzt war und sich eine Kopfplatzwunde zugezogen hatte, operierte er sechsmal am Kopf, um anschließend ebenfalls seine Wundersalbe zum Einsatz zu bringen. Eine von den Eltern gewünschte Überweisung in ein Krankenhaus lehnte er mit der Begründung ab, dass der Junge sonst »wahrscheinlich die Haare oder auch den Verstand verlieren« würde.

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