Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
diese Taktik von ihm. Würde Safet sich für eine Lüge entscheiden? Er brauchte ihnen die Wahrheit ja nicht zu sagen.
»Was?«
»Sport.«
»Das war auch mein Hassfach Nr.1«, sagte Roland, jetzt wieder mit einem väterlichen Lächeln. Er schien sehr zufrieden, dass der Junge nicht gelogen hatte.
Safet musterte ihn.
»Sie sehen eigentlich aus, als machten Sie gerne Sport«, sagte er.
»Mögen und mögen, ich mache das in erster Linie, weil ich muss, wissen Sie?«
Safet wusste es nicht. Aber Liv merkte, dass Roland stolz darauf war, dass dem Jungen seine neue Statur aufgefallen war.
»Wann genau waren Sie am Freitagmittag zu Hause?«, fragte sie.
»Um ein Uhr.«
Liv notierte sich die Uhrzeit.
»Und Ihr Vater war da auch zu Hause?«
»Esad hatte seine Praxis hier im Haus, und freitags hörte er immer früh auf. Danach saß er dann in seinem Büro und schrieb Krankenberichte oder machte irgendwelche anderen Sachen. Was genau, weiß ich nicht.«
»Saß er an diesem Freitag auch im Büro, als Sie kamen?«
»Nein, er war in der Küche. Er hatte mein Lieblingsessen gekocht. Das war eine echte Überraschung.«
»Was hatte er gekocht?«
Pita Burek, erklärte Safet. Ein bosnisches Gericht, eine Art Brotschnecke gefüllt mit Rinderhack. Er zeigte die Größe mit seinen Fingern.
»Dann wusste er, dass Sie früh nach Hause kommen würden?«
»Vermutlich«
»Woher wusste er, dass Sie blaumachen würden?«, fragte Roland.
»Ich … ich …. hatte es ihm wohl gesagt.«
Safet schwänzte also jeden Freitag den Sportunterricht, schlussfolgerten sie. Das war an sich nichts Schlimmes. Auch Liv hatte das getan.
»Was haben Sie dann gemacht?«, fragte Liv.
»Gegessen«, antwortete Safet etwas distanziert.
Er wird langsam müde, dachte Liv. Vielleicht sollten sie lieber morgen wiederkommen? Aber Roland machte unbeeindruckt weiter.
»Und … wirkte Ihr Vater normal?«, fragte Roland.
Der junge Mann zuckte mit den Schultern.
»Tja, ich denke schon.«
»Worüber haben Sie geredet?«
»Eigentlich nicht über viel. Er hat mir gesagt, dass er in den nächsten Tagen nicht zu Hause sein würde.«
Safet hielt inne, als erlebte er das alles noch einmal. Die Tränen stiegen wieder in seine Augen, und seine Stimme zitterte leicht, was er aber zu verdrängen versuchte.
»Ich meine, er hätte gesagt, dass er am Freitag wieder zurück sein würde. Also gestern. Aber ich bin mir nicht ganz sicher. Ich hatte mir auf jeden Fall noch keine Sorgen gemacht. Ich wollte ihn gestern anrufen, war mir dann aber nicht mehr sicher, ob er nicht doch gesagt hatte, dass er erst am Samstag kommt.«
Ein langes Schniefen folgte seinem letzten Satz, und sie ließen ihm Zeit, sich wieder zu sammeln, bevor sie mit der Befragung fortfuhren. Doktor Andersen tätschelte unterdessen seine Schulter.
»Reden Sie nicht miteinander, wenn er auf einer Konferenz ist?«
Er sah sie verständnislos an.
»Telefonieren Sie nicht miteinander, um zu wissen, wie es dem anderen geht?«
»Tja … manchmal. Ich weiß nicht. Meinen Sie, ich hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmte, weil er nicht angerufen hat?«
Safet legte die Hände vor sein Gesicht.
»Ganz ruhig«, sagte der Arzt, der sich jetzt neben Safet gehockt und eine Hand auf seinen Arm gelegt hatte.
»Sie haben nicht versucht, ihn anzurufen?«, fuhr Liv fort.
»Am Montag, aber er ist nicht ans Telefon gegangen…« Safets Augen füllten sich wieder mit Tränen. Er sah Liv eindringlich an, als erwarte er, dass sie ihm einen Rettungsring zuwerfe. Leider hatte sie keinen.
»Wir wissen noch nicht, wann er gestorben ist, Safet, aber es ist möglich, dass er am Montag, als Sie versucht haben, ihn anzurufen, bereits tot war.«
Safet schien jetzt wirklich bald am Ende zu sein. Auf jeden Fall hatte er den Kampf gegen die Tränen verloren. Er brach in Doktor Andersens Armen zusammen. Die Härte im Blick verschwand ebenso wie die etwas aufgesetzte Kühle der Stimme und der krampfhafte Versuch, älter zu wirken. Liv ließ ihn weinen.
»Sie haben am Freitagmittag aber nichts Ungewöhnliches bemerkt?«, fuhr Roland fort, als die Tränen versiegt waren und Safet wieder aufrecht dasaß.
»Nein, doch, er war fröhlich.«
»War er das sonst nicht?«, fragte Roland.
»Nicht oft. Er hat so viel mit sich herumgetragen. Sie wissen schon, die Vergangenheit und so. Der Krieg hat ihn schwer mitgenommen.«
»Er kochte freitags also nicht immer Ihr Leibgericht?«, fragte Liv.
»Nein, das ist vorher nur ein Mal
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