Ermittlerpaar Moretti und Roland 02 - Suendenspiel
erneut auf die Uhr. Er wirkte vollkommen ruhig.
»Nein. Ich wusste, dass er zu diesem Ärztekongress nach Kolding wollte. Das ist alles.«
»Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen?«
»Das war am Montag, dem 2. Februar, da hat er mich angerufen, und wir haben kurz über Safet gesprochen.«
Doktor Andersen seufzte.
»Sie können sicher verstehen, dass das, was mit ihm passiert ist, ein Schock für mich war.«
»Wissen Sie etwas über diesen Kongress in Kolding? Laut unseren Informationen war er angemeldet, ist dort aber nie aufgetaucht«, sagte Roland.
»Nein. Leider.«
Er schaute wieder schnell auf die Uhr.
»Haben Sie es eilig?«, fragte Roland.
Sein Gegenüber zauberte ein entwaffnendes Lächeln hervor, schüttelte den Kopf und sagte, dass er natürlich Zeit hätte, mit der Polizei zu sprechen. Schließlich sei er ebenso sehr wie sie daran interessiert, dass Esads Mörder gefunden wurde.
»Warum? Waren Sie gute Freunde?«, fragte Anette.
»Hat er mehr für Sie bedeutet als andere Kollegen?«, unterbrach Roland.
»Das hat er. Wir waren gute Kollegen. Wir haben uns zwischendurch auch privat gesehen, aber meistens über berufliche Dinge gesprochen.«
»Wie zum Beispiel über seinen Sohn? War das auch beruflich?«, fuhr Roland fort.
»Ich wollte helfen. Aber, ja, ich habe ein besonderes Verhältnis zu Safet entwickelt und mache mir Sorgen um ihn, wenn es das ist, was Sie meinen. Das ist nur natürlich, wenn man einen Menschen in Not sieht. Einen jungen Menschen, der in seiner kurzen Lebenszeit genug gelitten hat. Wenn wir ihm nicht geholfen hätten, wäre er in einer Zeit, in der er vor allem Fürsorge braucht, möglicherweise ein Fall für das öffentliche System geworden und in irgendeiner Institution oder Pflegefamilie gelandet. Ich hielt es für unnötig, dass er zusätzlich zu seinem Verlust auch das noch durchleben sollte. Ich hätte das Gleiche getan, auch wenn ich seinen Vater nicht gekannt hätte.«
»Haben Sie auch deshalb Esads Computer leeren lassen?«, fragte Roland unerwartet, während sowohl Anette als auch er jede noch so kleine Bewegung im Gesicht des Arztes studierten. Reichte das aus, um ihn zu Fall zu bringen? Würde er lügen oder leugnen?
Doktor Andersen sah Roland direkt in die Augen. Prüfend. Versuchte zu erkennen, was vor sich ging. Roland ließ ihn gewähren, musterte ihn aber genau.
»Nein«, antwortete Doktor Andersen schließlich.
Gute Entscheidung, dachte Roland. So weit waren sie schon mal.
»Warum dann?«
Der Arzt lehnte sich mit einem tiefen Seufzer auf dem Sofa zurück. »Darauf kann ich ohne meinen Anwalt leider keine Antwort geben.«
»Warum nicht? Das ist eine ganz einfache Frage.«
»Die Frage ist einfach. Die Antwort nicht.«
Er macht dicht, dachte Roland und zog für sich selbst die Schlussfolgerung, dass sie nicht mehr aus ihm herausbekommen würden. Dennoch versuchte er es.
»Wir wissen, dass jemand für Sie seinen Computer leer geräumt und alles gelöscht hat. Was war so wichtig, dass es entfernt werden musste?«, fragte er und wusste genau, welcher Satz jetzt kommen würde.
»Ich möchte jetzt gern mit meinem Anwalt sprechen«, sagte Doktor Andersen.
Mit einem lauten Knall schloss Roland seine Mappe.
»Übrigens, wie spät ist es?«, fragte er.
Der Arzt sah ihn überrascht an und konsultierte seine Armbanduhr.
Roland fand es eigenartig, dass er sich nicht an die Uhrzeit erinnern konnte, waren doch erst wenige Sekunden vergangen, seit er zuletzt auf seine Uhr gesehen hatte.
»13.08 Uhr, warum?«, antwortete der Arzt.
»Weil wir Sie jetzt mitnehmen und für 24 Stunden in Gewahrsam behalten«, sagte Roland und stand auf.
Aus Ermangelung einer Tür klopfte Roland auf Anettes Schreibtisch, um sein Eintreten anzukündigen. Sie schaute auf und lächelte, woraufhin er einen Stuhl vorzog und sich setzte. Sie waren seit einer halben Stunde von ihrem Besuch bei dem Arzt zurück, und nun saß Doktor Andersen unten in einer Zelle und wartete auf seinen Anwalt.
»Was meinst du?«, fragte er.
Sie lehnte sich zurück und legte die Arme über Kreuz.
»Er hat nicht auf all unsere Fragen wahrheitsgetreu geantwortet, daran gibt es keinen Zweifel. Jeder hat etwas, das ihn entlarvt.«
»Lass mich raten«, sagte Roland. »Die Uhr. Er hat darauf geschaut, wenn er gelogen hat?«
Anette nickte anerkennend.
»Sehr gut, mein Lieber. Du lernst es noch.«
»Wir wissen jetzt, dass er gelogen hat, nicht aber, was diese Lügen zu bedeuten haben«, sagte Roland und
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