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Ernest Hemingway

Ernest Hemingway

Titel: Ernest Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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irgendeine Krankheit befragte, die Symptome und die Behandlungsweise angab. Es hatte auch ein Stichwortverzeichnis, so daß es, wenn man bei Symptomen nachschlug, die Diagnose angab. Doc Fischer hatte vorgeschlagen, daß alle künftigen Auflagen mit einem weiteren Stichwortverzeichnis versehen werden sollten, so daß es, wenn man eine Behandlungsweise nachschlug, die Krankheiten und Symptome enthüllen würde. «Als Gedächtnisstütze», sagte er.
    Doktor Wilcox war empfindlich, was sein Buch anlangte, aber er konnte nicht ohne es auskommen. Es war in biegsames Leder gebunden und paßte in seine Jackettasche, und er hatte es auf den Rat eines seiner Professoren gekauft, der gesagt hatte: «Wilcox, Sie haben kein Recht, zu praktizieren, und ich habe alles, was in meinen Kräften stand, getan, um zu verhindern, daß man Sie als Arzt zuläßt. Da Sie jetzt ein Mitglied unseres gelehrten Standes sind, rate ich Ihnen im Namen der Menschheit, sich ein Exemplar von Der Freund und Ratgeber des jungen Arztes anzuschaffen, und benutzen Sie es, Doktor Wilcox. Lernen Sie es benutzen!»
    Doktor Wilcox hatte nichts gesagt, aber er hatte den ledergebundenen Leitfaden noch am selben Tag gekauft.
    «Na, Horace», sagte Doc Fischer, als ich in den Aufnahmeraum kam, der nach Zigaretten, Jodoform, Karbol und einem überheizten Heizkörper roch.
    «Meine Herren», sagte ich.
    «Was gibt’s Neues am Rialto?» fragte Doc Fischer. Er trug eine gewisse Extravaganz in seiner Redeweise zur Schau, die ich als höchste Eleganz empfand.
    «Die Gratispute bei Woolf», antwortete ich.
    «Haben Sie mitgemacht?»
    «Aber tüchtig.»
    «Viele confreres anwesend?»
    «Alle. Das ganze Personal.»
    «Viel freudebringende Weihnachtsstimmung?»
    «Nicht viel.»
    «Doktor Wilcox hier hat ein wenig daran teilgehabt», sagte Doc Fischer.
    Wilcox blickte ihn an und dann mich. «Wollen Sie was trinken?» fragte er.
    «Nein, danke», sagte ich.
    «Mir auch recht», sagte Doktor Wilcox.
    «Horace», sagte Doc Fischer. «Ich darf doch Horace zu Ihnen sagen?»
    «Ja.»
    «Mein guter Horace. Wir hatten einen außerordentlich interessanten Fall.»
    «Hören Sie mal!» sagte Doktor Wilcox.
    «Besinnen Sie sich auf den Jungen, der gestern hier war?»
    «Welcher?»
    «Der Junge, der nach dem Eunuchenstand trachtete.»
    «Ja.» Ich war da gewesen, als er hereinkam. Es war ein Junge von etwa sechzehn Jahren. Er war ohne Hut hereingekommen und war sehr aufgeregt und verängstigt, aber entschlossen. Er hatte krauses Haar und war gut gewachsen und hatte wulstige Lippen.
    «Was ist mit dir los, mein Junge?» hatte Doktor Wilcox ihn gefragt.
    «Ich möchte kastriert werden», sagte der Junge.
    «Warum?»
    «Ich habe gebetet, und ich habe alles getan, und nichts hilft.»
    «Hilft wozu?»
    «Gegen diese schreckliche Wollust.»
    «Was für eine schreckliche Wollust?»
    «So, wie ich werde. Und ich kann’s nicht hindern, daß ich so werde. Ich bete die ganze Nacht deswegen.»
    «Was passiert denn tatsächlich?» fragte Doc Fischer.
    Der Junge erzählte es ihm. «Hör mal, mein Junge», sagte Doc Fischer. «Dir fehlt gar nichts. Das ist so, wie es sein soll. Dabei ist nichts Unrechtes.»
    «Es ist unrecht», sagte der Junge. «Es ist eine Sünde gegen die Reinheit. Es ist eine Sünde gegen unsern Herrn und Heiland.»
    «Nein», sagte Doc Fischer. «Es ist etwas ganz Natürliches. Es ist so, wie es sein soll, und später wirst du mal denken, daß du sehr glücklich dran bist.»
    «Ach, Sie verstehen mich nicht», sagte der Junge.
    «Hör mal», sagte Doc Fischer und erzählte dem Jungen gewisse Dinge.
    «Nein, ich will nicht zuhören. Sie können mich nicht zum Zuhören zwingen.»
    «Bitte, hör zu», sagte Doc Fischer.
    «Du bist einfach ein gottverlassener Narr», sagte Doktor Wilcox zu dem Jungen.
    «Dann werden Sie es also nicht tun?» fragte der Junge.
    «Was tun?»
    «Mich kastrieren.»
    «Hör mal», sagte Doc Fischer. «Kein Mensch wird dich kastrieren. Mit deinem Körper ist nichts in Unordnung. Du hast einen Prachtkörper, und du darfst nicht an so was denken. Wenn du religiös bist, vergiß nicht, daß das, worüber du dich beklagst, kein sündhafter Zustand ist, sondern das Werkzeug, um ein Sakrament zu vollziehen.»
    «Ich kann nichts dagegen tun, daß es passiert», sagte der Junge. «Ich bete die ganze Nacht, und ich bete am Tag. Es ist eine Sünde, eine ständige Sünde gegen die Reinheit.»
    «Ach geh und -» sagte Doktor Wilcox.
    «Wenn Sie solche Sachen sagen,

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