Ernest Hemingway
sein?»
«Nein», sagte die Wasserstoffblonde, «nicht mit dir.»
«Sie ist einfach ein Drachen», sagte der Mann. «Ein richtiger kleiner Drachen.»
Die eine Blondine sah die andere an und schüttelte den Kopf.
«Gottverdammte alte Hinterwäldler», sagte sie.
Alice begann von neuem zu lachen und am ganzen Körper zu schüttern.
«Das ist doch nicht komisch», sagte der Koch. «Ihr lacht alle, aber was ist denn da komisch? Ihr zwei jungen Burschen, wo geht denn die Reise hin?»
«Wo willst du denn selber hin?» fragte ihn Tom.
«Ich will nach Cadillac», sagte der Koch. «Seid ihr jemals da gewesen? Meine Tante wohnt dort.»
«Er ist selbst ‘ne Tante», sagte einer der Männer in Sporthosen.
«Kannst du denn nicht damit aufhören?» fragte der Koch. «Können wir uns nicht anständig unterhalten?»
«Cadillac ist der Ort, wo Steve Ketchel herkam und wo Ad Wolgast her ist», sagte der schüchterne Mann.
«Steve Ketchel», sagte eine der Blondinen mit einer hohen Stimme, als ob der Name etwas in ihr ausgelöst hätte. «Sein eigener Vater schoß auf ihn und hat ihn getötet. Ja, weiß Gott, sein eigener Vater. Heute gibt es keine Männer mehr wie Steve Ketchel.»
«Hieß er nicht Stanley Ketchel?» fragte der Koch.
«Ach, halt den Mund», sagte die Blondine. «Was weißt du denn von Steve? Stanley! Doch nicht Stanley. Steve Ketchel war der beste und schönste Mann, der je gelebt hat. Ich habe niemals einen zweiten Mann gesehen, der so weiß und rein und schön war wie Steve Ketchel. Es hat nie wieder so einen Mann gegeben. Er bewegte sich genau wie ein Tiger, und er war der beste, spendabelste Mensch, der je gelebt hat.»
«Hast du ihn gekannt?» fragte einer der Männer.
«Ob ich ihn gekannt habe? Ob ich ihn gekannt habe? Ob ich ihn geliebt habe? Das fragst du mich? Ich habe ihn gekannt, wie du keinen Menschen auf der ganzen Welt kennst, und ich habe ihn geliebt, wie man Gott liebt. Er war der größte, beste, weißeste, schönste Mann, der je gelebt hat, Steve Ketchel, und sein eigener Vater hat ihn wie einen Hund niedergeknallt.»
«Warst du mit ihm zusammen an der Küste?»
«Nein, ich kannte ihn vorher. Er war der einzige Mann, den ich je geliebt habe.»
Alle waren voller Hochachtung für die Wasserstoffblondine, die all dies auf laute, theatralische Art vorbrachte, aber Alice begann wieder zu schüttern. Ich fühlte es, weil ich neben ihr saß.
«Du hättest ihn heiraten sollen», sagte der Koch.
«Ich habe seiner Karriere nicht schaden wollen», sagte die Wasserstoffblondine. «Ich wollte ihm kein Hindernis sein. Eine Ehefrau war nicht das, was er brauchte. Ach, mein Gott, was das für ein Mann war!»
«Das war höchst anständig von dir gedacht», sagte der Koch. «Hat ihn nicht aber Jack Johnson k. o. geschlagen?»
«Das war ein gemeiner Kniff», sagte Wasserstoff. «Das große Luder überrumpelte ihn einfach. Er hatte Jack Johnson gerade zu Boden geschmettert, den großen schwarzen Scheißkerl. Der Nigger hat einfach Dusel gehabt, als er ihn schlug.»
Der Fahrkartenschalter wurde geöffnet, und die drei Indianer gingen hinüber.
«Steve hatte ihn zu Boden geschlagen», sagte Wasserstoff. «Er drehte sich um, um mir zuzulächeln.»
«Ich dachte, du hast gesagt, du bist nicht an der Küste gewesen», sagte irgendwer.
«Ich fuhr extra hin, nur für den Kampf. Steve drehte sich um, um mir zuzulächeln, und der schwarze Teufel von einem Scheißkerl da sprang hoch und versetzte ihm eins ganz überraschend. Steve konnte hundert von der Sorte von schwarzen Scheißkerlen erledigen.»
«Er war ein großer Boxer», sagte einer der Holzfäller.
«Weiß Gott, das war er», sagte Wasserstoff. «Weiß Gott, es gibt jetzt keine solchen Boxer mehr. Er war wie ein Gott, wahrhaftig, so weiß und rein und schön und glatt und schnell und wie ein Tiger oder ein Blitz.»
«Ich hab ihn im Film von dem Kampf gesehen», sagte Tom. Wir waren alle sehr gerührt. Alice schütterte am ganzen Körper, und ich blickte hin und sah, daß sie weinte. Die Indianer waren auf den Bahnsteig hinausgegangen.
«Er war mir mehr, als einem ein Ehemann je sein kann», sagte Wasserstoff. «In Gottes Augen waren wir verheiratet, und ich gehöre ihm eben jetzt und werde ihm immer gehören, und alles, was ich bin, gehört ihm. Mein Körper ist mir egal. Jeder kann meinen Körper haben. Meine Seele gehört Steve Ketchel. Weiß Gott, das war ein Mann.»
Alle fühlten sich gräßlich. Es war traurig und peinlich. Dann sprach
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