Ernest Hemingway
französisch: «Ich persönlich kenne ‹Sportsmann› nicht, aber ich habe häufig von ‹Sportsmann› reden hören. Er ist gut.»
«Eine Flasche ‹Sportsmann› », sagte Johnson zu der Kellnerin. Er blickte auf den Preis auf der Weinkarte: in Schweizer Franken. «Sagen wir zwei ‹Sportsmann›. Stört es Sie, wenn ich mich zu Ihnen setze?» fragte er den Träger, der ‹Sportsmann› vorgeschlagen hatte.
«Setzen Sie sich nur. Bitte, machen Sie sich’s bequem.» Der Träger lächelte ihm zu. Er legte seine Brille zusammen und steckte sie ins Futteral. «Haben der Herr heute Geburtstag?»
«Nein», sagte Johnson. «Es ist keine Fete. Meine Frau hat beschlossen, sich von mir scheiden zu lassen.»
«So», sagte der Träger. «Das will ich nicht hoffen.» Der andere Träger schüttelte den Kopf. Der dritte Träger schien ein wenig taub zu sein.
«Zweifellos ist es eine alltägliche Erfahrung», sagte Johnson, «wie der erste Besuch beim Zahnarzt oder das erste Mal, wenn ein Mädchen unwohl wird, aber es hat mich umgeschmissen.»
«Das ist verständlich», sagte der älteste Träger. «Das kann ich verstehen.»
«Keiner von den Herren ist geschieden?» fragte Johnson. Er hatte aufgehört, die Sprache zu verballhornen, und sprach jetzt ein gutes Französisch, und zwar schon eine ganze Weile.
«Nein», sagte der Träger, der ‹Sportsmann› bestellt hatte. «Es gibt hier nicht viel Scheidungen. Wir haben ein paar Herren, die geschieden sind, aber nicht viele.»
«Bei uns», sagte Johnson, «ist es anders. Fast jeder ist geschieden.»
«Das stimmt», bestätigte der Träger. «Ich habe es in der Zeitung gelesen.»
«Ich persönlich bin ein bißchen im Rückstand», fuhr Johnson fort. «Dies ist das erste Mal, daß ich geschieden werde. Ich bin fünfunddreißig.»
»Mais vous étes encore jeune», sagte der Träger. Er erklärte den beiden anderen: «Monsieur n’a que trente-cinq ans.» Die anderen Träger nickten. «Er ist sehr jung», sagte einer von ihnen.
«Und es ist wirklich das erste Mal, daß Sie sich scheiden lassen?» fragte der Träger.
«Bestimmt», sagte Johnson. «Bitte öffnen Sie den Wein, Mademoiselle.»
«Und ist es sehr teuer?»
«10.000 Francs.»
«Schweizer Geld?»
«Nein, französisches Geld.»
«Ach so! 2000 Schweizer Franken. Aber selbst dann ist es nicht billig.»
«Nein.»
«Und warum tut man es?»
«Man wird darum gebeten.»
«Aber warum bittet man darum?»
«Um jemand anderen zu heiraten.»
«Aber das ist doch idiotisch.»
«Ich bin Ihrer Meinung», sagte Johnson.
Die Kellnerin füllte die vier Gläser. Sie erhoben sie alle.
«Prosit», sagte Johnson.
«A votre sante, monsieur», sagte der Träger. Die anderen zwei Träger sagten «Salut». Der Champagner schmeckte wie süßer rosa Apfelwein.
«Ist es ein Übereinkommen in der Schweiz, immer in einer anderen Sprache zu antworten?» fragte Johnson.
«Nein», sagte der Träger. «Französisch ist feiner. Außerdem sind wir hier in der Suisse Romande.»
«Aber Sie sprechen Deutsch?»
«Ja, wo ich herkomme, spricht man Deutsch.»
«Aha», sagte Johnson, «und Sie sagen, Sie haben sich noch nie scheiden lassen?»
«Nein, das kommt zu teuer. Außerdem habe ich nie geheiratet.»
«Aha», sagte Johnson. «Und die anderen beiden Herren?»
«Die sind verheiratet.»
«Sind Sie gern verheiratet?» fragte Johnson einen der Träger.
«Was?»
«Mögen Sie den Ehestand?»
«Oui, c’est normal.»
«Genau das», sagte Johnson. «Et vous, Monsieur?»
«Ca, va», sagte der andere Träger.
«Pour moi», sagte Johnson, «ca ne va pas.»
«Monsieur wird sich scheiden lassen», erklärte der erste Träger.
«Oh», sagte der zweite Träger.
«Aha», sagte der dritte Träger.
«Na», sagte Johnson, «das Thema scheint erschöpft zu sein. Meine Schwierigkeiten interessieren Sie nicht», wandte er sich an den ersten Träger.
«Aber doch», sagte der Träger.
«Na, reden wir von was anderem.»
«Wie Sie wünschen.»
«Worüber können wir sprechen?»
«Treiben Sie Sport?»
«Nein», sagte Johnson. «Aber meine Frau.»
«Was tun Sie zu Ihrem Vergnügen?»
«Ich bin Schriftsteller.»
«Verdient man damit viel Geld?»
«Nein, aber später, wenn man bekannt ist, ja.»
«Ist es interessant?»
«Nein», sagte Johnson, «es ist nicht interessant. Es tut mir leid, meine Herren, aber ich muß mich verabschieden. Wollen Sie bitte die zweite Flasche trinken?»
«Aber der Zug kommt ja erst in dreiviertel
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