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Ernest Hemingway

Ernest Hemingway

Titel: Ernest Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Schnaps.
    «Sie hätten sich vergangene Woche umbringen sollen», sagte er zu dem tauben Mann. Der alte Mann zeigte mit dem Finger. «Ein bißchen mehr», sagte er. Der Kellner goß weiter ein, so daß der Schnaps überfloß und am Stiel des Glases bis auf die obere Untertasse des Stapels hinunterlief. «Danke», sagte der alte Mann. Der Kellner nahm die Flasche ins Cafe zurück. Er setzte sich wieder zu seinem Kollegen an den Tisch.
    «Er ist bereits betrunken», sagte er.
    «Er ist jeden Abend betrunken.»
    «Warum wollte er sich umbringen?»
    «Woher soll ich das wissen?»
    «Wie hat er’s denn angefangen?»
    «Er hat sich mit einem Strick aufgehängt.»
    «Wer hat ihn abgeschnitten?»
    «Seine Nichte.»
    «Warum hat sie es getan?»
    «Angst um sein Seelenheil.»
    «Wieviel Geld hat er?»
    «‘ne Masse.»
    «Er muß an die achtzig sein.»
    «Für achtzig halte ich ihn bestimmt.»
    «Ich wünschte, er ginge nach Hause. Ich komme nie vor drei ins Bett. Ist das eine Zeit, um ins Bett zu gehen?»
    «Er bleibt auf, weil er’s mag.»
    «Er ist einsam. Ich bin nicht einsam. Ich habe eine Frau, die im Bett auf mich wartet.»
    «Er hatte auch mal eine Frau.»
    «Von einer Frau würde er jetzt nicht viel haben.»
    «Das weiß man nicht. Vielleicht ging’s ihm besser mit einer Frau.»
    «Seine Nichte kümmert sich um ihn.»
    «Ich weiß. Du hast gesagt, daß sie ihn abgeschnitten hat.»
    «Ich möchte nicht so alt werden. Ein alter Mann ist etwas Ekelhaftes.»
    «Nicht immer. Der Alte da ist sauber. Er trinkt, ohne was zu verschütten. Sogar jetzt, betrunken. Sieh ihn dir an.»
    «Ich will ihn nicht ansehen. Ich wünschte, er ginge nach Hause. Er nimmt keine Rücksicht auf die Leute, die arbeiten müssen.»
    Der alte Mann sah von seinem Glas auf über den Platz und dann hinüber zu den Kellnern.
    «Noch einen Schnaps», sagte er und zeigte auf sein Glas.
    Der Kellner, der es eilig hatte, ging hinüber.
    «Schluß», sagte er, und dann, unter Umgehung aller Syntax, wie’s dumme Leute tun, wenn sie mit Betrunkenen und Ausländern sprechen: «Nichts mehr heute. Schließen jetzt.»
    «Noch einen», sagte der alte Mann.
    «Nein, Schluß.» Der Kellner wischte mit einer Serviette über den Tischrand und schüttelte den Kopf.
    Der alte Mann stand auf, zählte langsam die Untertassen, zog ein ledernes Portemonnaie aus der Tasche, zahlte für die Getränke und ließ eine halbe Peseta Trinkgeld liegen.
    Der Kellner sah ihm nach, als er die Straße entlangging, ein sehr alter Mann, schwankenden Schritts, aber voll Würde.
    «Warum hast du ihn nicht sitzen und trinken lassen?» fragte der Kellner, der es nicht eilig hatte. Sie ließen die Rolläden herunter. «Es ist noch nicht halb drei.»
    «Ich will nach Hause, ins Bett.»
    «Was ist schon eine Stunde?»
    «Für mich mehr als für ihn.»
    «Eine Stunde ist eine Stunde.»
    «Du redest selbst wie ein alter Mann. Er kann sich eine Flasche kaufen und zu Hause trinken.»
    «Das ist nicht dasselbe.»
    «Nein, das stimmt», gab der Kellner, der eine Frau hatte, zu. Er wollte nicht ungerecht sein. Er hatte es nur eilig.
    «Und du? Du hast keine Angst, wenn du früher als gewöhnlich nach Hause kommst?»
    «Willst du mich beleidigen?»
    «Nein, hombre, ich mach nur Spaß.»
    «Nein», sagte der Kellner, der es eilig hatte, und richtete sich auf; er hatte gerade die eisernen Rolladen heruntergelassen. «Ich habe Vertrauen, vollstes Vertrauen.»
    «Du hast Jugend, Vertrauen und Arbeit», sagte der ältere Kellner. «Du hast alles.»
    «Und was fehlt dir?»
    «Alles, bis auf Arbeit.»
    «Du hast alles, was ich habe.»
    «Nein. Ich hab nie Vertrauen gehabt, und ich bin nicht jung.»
    «Los, komm! Red keinen Unsinn und schließ zu.»
    «Ich bin einer von denen, die gern lange im Cafe bleiben», sagte der ältere Kellner. «Mit all denen, die nicht ins Bett gehen wollen. Mit all denen, die nachts Licht brauchen.»
    «Ich will nach Hause und ins Bett.»
    «Wir beide sind ganz verschiedene Naturen», sagte der ältere Kellner. Er war jetzt angezogen, um nach Hause zu gehen. «Es ist nicht nur eine Frage von Jugend und Vertrauen, obwohl beides wunderbar ist. Nur mit Widerstreben mach ich jede Nacht zu, weil vielleicht jemand das Cafe braucht.»
    «Hombre, es gibt bodegas, die die ganze Nacht offen sind.»
    «Du verstehst das nicht. Dies ist ein sauberes und angenehmes Cafe. Es ist gut beleuchtet. Das Licht ist sehr gut, und jetzt sind auch noch die Schatten der Blätter da.»
    «Gute Nacht»,

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