Erntedank
vertreiben vor allem Hilfsmittel für die Magnetresonanztherapie, haben aber auch Nahrungsergänzungsmittel und Tees im Programm. Hier lagern die Therapiegeräte. Der Renner sind noch immer unsere Salzkristalllampen aus dem Himalaja und unsere Resonanzdecken«, erklärte die Mitarbeiterin ungefragt. »Und Sie versenden auf Bestellung?«, wollte Kluftinger wissen, der im Moment nicht das Bedürfnis verspürte, tiefer in die esoterischen Geheimnisse einzudringen, die sich hinter den Dingen verbargen.
»Unsere Reisegäste bestellen auf den Informationsveranstaltungen und hier werden dann die Artikel versandt, ja«, gab sie in kühlem, geschäftsmäßigem Ton Auskunft.
Kluftinger wollte sich nicht mehr damit aufhalten, sich über sie zu ärgern. Es gab jetzt wichtigere Dinge.
»Was sind denn Resonanzdecken, Frau Grenzmann?«, schaltete sich plötzlich Hefele ins Gespräch ein. Kluftinger verdrehte die Augen: Genau damit hatte er sich eigentlich nicht aufhalten wollen.
Die Frau nahm sich eine weiße Decke aus einer der Schachteln und erklärte, dass es sich um spezielle Baumwolldecken mit Hohlfaserfüllung handeln würde, in die Magnetfolien eingenäht seien. Nun wurde auch Kluftinger hellhörig. »Und was bewirken Ihre … Dings-Decken genau?«, fragte er mit verächtlichem Unterton.
»Sie sind für die Resonanztherapie.«
» … und das heißt?«, insistierte Kluftinger und drehte ihr den Rücken zu, um sich die Artikel genauer zu betrachten.
» … das heißt, dass sie die Körperschwingungen günstig beeinflussen und so allerlei Beschwerden lindern. Fettleibigkeit beispielsweise.«
Wie von der Tarantel gestochen drehte sich der Kommissar um. Er versuchte, aus ihrem Gesicht eine Gefühlsregung herauszulesen, doch er wurde nicht fündig. Er atmete kurz und hörbar aus und brummte: »Allerlei Beschwerden, soso.«
Dann wandte er sich seinem Kollegen zu, der ebenfalls leicht betroffen dreinblickte.
Sie ließen sich noch die übrigen Räume zeigen: Sutters Büro war ein kahler Raum ohne jeglichen Schnickschnack, mit einem grauen Schreibtisch in der Mitte und einer kunstledernen Sitzgruppe im Eck. Nur ein Terminkalender zierte die Wand. Nebenan stand Frau Grenzmanns Schreibtisch, der hinter einer kleinen Theke platziert war, auf der Prospekte der Reisefirma lagen, in denen die »Kaffeefahrten« beworben wurden.
Diese Zettel sahen immer gleich aus: schmales Format, große Landschaftsbilder und noch größere Versprechungen. Es ging für einen Tag an den Bodensee oder zu den Königsschlössern oder sonstwohin – zu einem »sensationellen Niedrigpreis« natürlich. Kluftinger hatte allerdings schon länger keine Prospekte dieser Art mehr gesehen, seit er den Aufkleber »Bitte keine Werbung einwerfen« am Briefkasten angebracht hatte. Er steckte sich einen Flyer in die Tasche. Schließlich ließ er sich die Geschäftsunterlagen und die Bücher der Firma aushändigen, die Frau Grenzmann zwar widerwillig, aber dennoch vollständig herausgab.
***
»Da sieht man halt, warum du der Kappo bist, ich hätt da nicht dran gedacht«, sagte Hefele, als sie wieder im Auto saßen.
»Hm?«, brummte Kluftinger, der gerade darüber nachdachte, ob er sich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte.
»Der Durchsuchungsbeschluss! Ich hatte ja keinen beantragt und du hast einen in der Tasche, obwohl du zuerst gar nicht mitfahren wolltest in die Firma. Respekt, das nenn ich Planung.«
»Also komm, so was weiß man doch. Das kann einem immer passieren, dass sich bei einer solchen Aktion jemand querstellt. Auch wenn es selten vorkommt. Das muss ich dir doch nicht erklären! Da hat man besser immer ein Dokument dabei.«
Kluftinger langte in seine Jackentasche und zog das Schriftstück heraus.
»Leg das doch bitte ins Handschuhfach«, bat er seinen Kollegen.
»Ins Handschuhfach? Nicht zu den Akten?«
Hefele faltete das Blatt auf und überflog es kurz. Er schüttelte den Kopf:
»Du bisch ein wilder Hund, Klufti!«, flüsterte er ehrfürchtig, bevor er Kluftingers aktuelle Gehaltsabrechnung ins Handschuhfach legte.
»Die hat nicht mal nach dem Dienstausweis gefragt, der hätten wir auch ein Kochrezept unter die Nase halten können«, erwiderte Kluftinger ohne jeglichen Anflug von Triumph. Denn so ganz wohl war ihm nicht in seiner Haut und er hoffte, dass sein eigenmächtiges Handeln ihm keine Schwierigkeiten bereiten würde.
Während sie auf den Parkplatz der Polizei einbogen, überlegte Hefele immer noch, ob ihn nun ein
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